Waffenlieferungen an die Ukraine: Fico tanzt aus der Reihe

Die Slowakei will die Ukraine statt mit Waffen künftig ausschließlich humanitär unterstützen

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 4 Min.

Bei seinen ersten öffentlichen Auftritten wiederholte der in der vergangenen Woche ins Amt eingeführte slowakische Premier Robert Fico die Aussagen, die ein Gros seines Wahlkampfes geprägt hatten. Bratislava, so der sozialdemokratisch-populistische Politiker, werde künftig keine Waffen mehr an die Ukraine liefern und auch entsprechende Beschlüsse der EU nicht unterstützen. Die humanitäre und zivile Hilfe will man hingegen fortsetzen.

Fico begründet diese Haltung mit den Worten, die Ukraine sei »durch und durch korrupt«, und man dürfe ein solches System nicht unterstützen. Zudem sei Frieden im Osten Europas nur zu erreichen, indem man mit Russland in Verhandlungen trete und auch die Interessen Moskaus berücksichtige.

Mit dieser Positionierung bildet Fico einen Schulterschluss mit dem Amtskollegen in Budapest, Viktor Orbán. Dabei erhält Fico Rückendeckung vom neu berufenen Außenminister, dem Smer-SSD-Parteikollegen Juraj Blanár. Der Politiker aus dem Norden des Landes war bereits in der Vergangenheit mit prorussischen Aussagen und Kritik an der Politik des Westens aufgefallen. So stimmte Blanár im Parlament, dem Nationalrat, nicht für eine Verurteilung russischer Kriegsverbrechen und lehnte auch deutlich einen Verteidigungspakt mit den Vereinigten Staaten ab, der es der US-Airforce erlauben sollte, zwei Militärflughäfen in der Slowakei zu nutzen.

Man wird sich sowohl in der EU als auch in der Nato darauf einstellen müssen, dass nun in Bratislava eher skeptische Partner das Sagen haben. Eine gemeinsame Haltung in beiden Bündnissen gegenüber den aktuellen Konflikten dürfte das deutlich erschweren.

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Die Hoffnungen in Brüssel und Washington richten sich nun auf den Hlas-Vorsitzenden und neu gewählten Präsidenten des Nationalrats, Peter Pellegrini. Der einstige Parteikollege Ficos fährt mit seiner ebenfalls sozialdemokratisch ausgerichteten Partei einen deutlich EU-freundlicheren Kurs und könnte als dritthöchste Instanz im Lande für einen politischen Ausgleich sorgen.

Auch innenpolitisch dürfte sich nach dem Antritt der neuen Regierung Fico die Spaltung der Gesellschaft vertiefen. Staatspräsidentin Zuzana Čaputová zeigte während der Vereidigungszeremonie wenig Begeisterung. Ihre Partei, Progresívne Slovensko (Fortschrittliche Slowakei), war vor den Nationalratswahlen als aussichtsreichste Kraft gehandelt worden. Doch die linksliberale PS kam unter ihrem Spitzenkandidaten Michal Šimečka nur auf den zweiten Rang und konnte so nicht das Mandat für eine Regierungsbildung erhalten. Den Auftrag hatte nun zum wiederholten Male SMER-SSD-Chef Robert Fibo erhalten, dem es rasch gelang, eine Koalition mit der drittplatzierten Hlas von Peter Pellegrini und der kleineren rechtskonservativen SNS zu schmieden.

So schnell wie die Koalition geschaffen war, so holprig ging dann jedoch die Regierungsbildung voran. Etliche der politischen Akteure sind noch angeschlagen von den Unruhen des Jahres 2018. Vor allem der Mord am Enthüllungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten Martina Kušnírová hatten damals das Ende des dritten Kabinetts Fico eingeläutet. Innenminister Robert Kaliňák musste nur wenige Tage nach dem Doppelmord seinen Hut nehmen und geriet darüber hinaus in Verdacht, selbst in die organisierte Kriminalität verwickelt zu sein. Doch mit dem Rücktritt des Ministers allein ließ sich die Bevölkerung nicht beschwichtigen, was schließlich zum Rücktritt der gesamten Regierung geführt hatte. Mit Volksbegehren übernahmen die Fortschrittlichen die politische Initiative, was ihre Vertreterin Čaputová bei den Wahlen 2019 auf den Präsidentensessel beförderte.

Nun jedoch heißt der Ministerpräsident erneut Fico. Und auch Kaliňák ist wieder mit an Bord, diesmal in der Funktion des Verteidigungsministers. Turbulenzen gab es um den Kandidaten für den Posten des Umweltministers: Der SNS-Vertreter Rudolf Huliak wurde von der Präsidentin nicht akzeptiert. Die Begründung von Čaputová war, dass ein Leugner der wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels unmöglich das Umweltressort leiten könne. Huliak wurde dann von dem rechtskonservativen Tomáš Taraba ersetzt. Der 43-jährige Investmentmanager verfügt indes auch nicht über einschlägige fachliche Kompetenzen.

Einwände hatte Präsidentin Čaputová auch gegen die Nominierung der früheren Fernsehmoderatorin Martina Šimkovičová. Die parteilose, jedoch für die rechtspopulistische SNS antretende Journalistin war in der Vergangenheit vor allem wegen der Verbreitung von Verschwörungstheorien aufgefallen. Gegen Šimkovičová konnte die Präsidentin ihr Veto allerdings nicht durchsetzen. So wird man national und international mit Spannung darauf schauen, wie sich die Kulturpolitik des Landes entwickelt.

Doch Umwelt und Kultur sind eher Nebenschaubühnen des politischen Geschehens an der Donau. Nach den ersten Auftritten Ficos und seiner Minister auf dem internationalen Parkett wird sich die Aufmerksamkeit vor allem auf seine außenpolitische Orientierung richten. Schwierigkeiten im Verhältnis der Slowakei zu ihren europäischen Partnern sind damit vorprogrammiert.

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