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Gaza: Kritik an Israels Bombenkrieg
Europäische Spitzenpolitiker fordern Sanktionen gegen Israel
Die israelische Armee setzt ihren Krieg gegen den Gazastreifen mit Dauerbombardements fort. Ganze Stadtviertel liegen in Schutt und Asche. Ein Ende ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Vier Wochen nach Kriegsbeginn macht Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu deutlich, dass sein Land militärische Kontrolle über das seit Jahren abgeriegelte Gebiet behalten will. Laut dem von der Hamas geführten Gesundheitsministerium in Gaza sind bisher mehr als 10 500 Menschen getötet worden. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht.
Inzwischen mehren sich offizielle Stimmen in Europa, die die israelische Kriegsführung scharf kritisieren und eine Waffenruhe fordern. Die spanische geschäftsführende Ministerin für Sozialrechte, Ione Belarra, sprach in einem Interview mit dem TV-Sender Al-Jazeera von einem »Genozid« und bezeichnete den israelischen Regierungschef als »Kriegsverbrecher«. Spanien und andere Länder sollten die diplomatischen Beziehungen mit Israel aus Protest gegen den Krieg abbrechen: »Der israelische Staat muss diesen geplanten Völkermord am palästinensischen Volk beenden«, sagte Belarra am Mittwoch.
Belarras Partei, Podemos, ist Juniorpartner in Spaniens amtierender Linkskoalitionsregierung, die vom sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez geführt wird. Sie sprach sich im Interview auch für Sanktionen gegen Israel aus. Während die Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine angeprangert würden, herrsche bei den Opfern der israelischen Bombardierung »ohrenbetäubendes Schweigen«. Belarra fordert Spanien und andere Länder auf, die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen. »Ich denke, das wäre die richtige politische Botschaft, die besagt, dass wir nichts mit diesem Kriegsverbrecher zu tun haben wollen«, so Belarra.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Für Sanktionen hat sich auch die stellvertretende belgische Premierministerin Petra De Sutter ausgesprochen. Sie forderte am Mittwoch die Regierung auf, Israel wegen der Bombardierung des Gazastreifens zu boykottieren. De Sutter gehört der Grünen Partei in der Regierungskoalition an. »Es ist an der Zeit, Israel zu boykottieren«, sagte sie belgischen Medienberichten zufolge. »Bomben abzuwerfen, als würde es regnen, ist unmenschlich. Es ist klar, dass Israel die internationalen Aufrufe zu einem Waffenstillstand ignoriert.« De Sutter ergänzte, die Europäische Union solle ihr Assoziierungsabkommen mit Israel, das auf eine bessere wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit abzielt, unverzüglich aussetzen.
Bereits am Montag hatte der belgische Premierminister Alexander De Croo gesagt, dass »das, was wir heute in Gaza gesehen haben, nicht mehr verhältnismäßig ist«, und die jüngsten israelischen Angriffe auf Flüchtlingslager kritisiert. De Croo sagte, er verurteile die Angriffe der Hamas und unterstütze das Recht Israels, sich zu verteidigen, doch die jüngsten Vergeltungsangriffe seien übertrieben gewesen. »Ein ganzes Flüchtlingslager mit der Absicht zu bombardieren, einen Terroristen auszuschalten, kann man nicht als verhältnismäßig bezeichnen.«
Bei ihrem Treffen in Tokio sprachen sich die G7-Staaten für humanitäre Feuerpausen und die Einrichtung von Korridoren aus, um Hilfslieferungen sowie die Freilassung von Geiseln zu erleichtern. »Alle Parteien müssen ungehindert humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung gewähren, einschließlich Nahrungsmittel, Wasser, medizinische Versorgung, Treibstoff und Unterkünfte sowie Zugang für humanitäre Helfer«, hieß es in der Abschlusserklärung. Es sei »essenziell, dass humanitäre Hilfe nach Gaza reinkommt, dass die Menschen dort versorgt werden können, damit es nicht Nährboden für weiteren Terrorismus wird«, so die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock
In Bezug auf die angespannte Situation im Westjordanland hieß es in der Abschlusserklärung, »die Zunahme der extremistischen Siedlergewalt gegen Palästinenser ist inakzeptabel, untergräbt die Sicherheit im Westjordanland und bedroht die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden«. Man arbeite gemeinsam mit Partnern in der Region »intensiv daran, eine weitere Eskalation und Ausbreitung des Konflikts zu verhindern«. Vom Iran verlangen die G7, die Unterstützung der Hamas sowie der libanesischen Hisbollah zu beenden.
Die G7-Staaten machten sich auch Gedanken über die Zukunft des Gazastreifens und widersprachen Überlegungen des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu, militärische Kontrolle über das Gebiet zu behalten. So sprach sich Baerbock gegen eine erneute Besetzung durch Israel aus. Baerbock sagte, ein entscheidender Punkt sei, »dass es keine Besetzung von Gaza geben darf, sondern bestmöglich einen internationalen Schutz«.
Es müsse auch sichergestellt werden, dass vom Gazastreifen künftig »keine terroristische Gefahr für Israels Sicherheit« mehr ausgehe. Zudem dürfe die palästinensische Bevölkerung nicht aus dem Gazastreifen vertrieben werden. Baerbock sprach sich auch gegen eine »territoriale Reduzierung von Gaza« aus. Mit Blick auf die Zukunft des Gazastreifens dürfe es »keine Lösung über die Köpfe der Palästinenserinnen und Palästinenser hinweg geben«, betonte die Ministerin.
US-Außenminister Antony Blinken forderte Israel ebenfalls zum Verzicht auf eine Besetzung des Gazastreifens auf. Dies gehöre zu den »zentralen Bestandteilen« einer Lösung, die aus Sicht der USA »dauerhaften Frieden und Sicherheit« bringe, sagte Blinken. Mit Agenturen
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