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Berlin Security Conference: »We must become kriegstüchtig«

In der Hauptstadt tagte diese Woche die Berliner Sicherheitskonferenz

  • Paul Fürst
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Verteidigungsminister traf in Berlin auf Freunde in Politik und Industrie und hatte neue Verträge im Gepäck.
Der Verteidigungsminister traf in Berlin auf Freunde in Politik und Industrie und hatte neue Verträge im Gepäck.

Am Donnerstag ging in Berlin-Lichtenberg die 22. Berliner Sicherheitskonferenz zu Ende. Auf Einladung der Verlagsgruppe »Behörden-Spiegel« diskutierten im Vienna House am S-Bahnhof Landsberger Allee um die 140 Vertreter der deutschen und internationalen Politik, von Militär und Rüstungskonzernen über das Thema »Europa und die Nato«. Zwei Tage lang sollte es um eine »Stärkung der Entschlossenheit und der Widerstandsfähigkeit« gehen. Die Schirmherrschaft hatte dieses Jahr der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages, Wolfgang Hellmich, übernommen. Zur Eröffnung spielte das Stabsmusikkorps der Bundeswehr die Nationalhymen aller Nato-Partner.

Auf der Tagesordnung standen die Kriege in der Ukraine sowie im Nahen Osten, die »kollektive Verteidigung« der EU-Staaten, außerdem die neuen »Herausforderungen« an der nordöstlichen und der südwestlichen Nato-Flanke sowie die Militär- und Außenpolitik im Indo-Pazifik. Für das Militär ging es um alle Domänen, also den Kampf in der Luft, an Land, auf See, im Weltall und im Cyberspace.

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Prominente Gäste auf der als »Berlin Security Conference« bezeichneten Veranstaltung waren Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), der Stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr Markus Laubenthal und die Staatssekretärin im Auswärtigen Amt Katja Keul (Grüne). In seiner Rede am Donnerstagmorgen betonte Pistorius, dass die deutsche Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen werde. Russland habe den Krieg nach Europa zurückgebracht, daher müsse auch Deutschland wieder »wehrhaft und kriegstüchtig werden«, wiederholte der Minister seine umstrittene Aussage von vor vier Wochen.

Zuspruch erhielt der SPD-Politiker dafür von Karin Ollongreen, der niederländischen Verteidigungsministerin. »We must become kriegstüchtig as you said, Boris«, sagte die Linksliberale unter lautem Beifall des Publikums. Am Rande der Konferenz haben die beiden Staaten ein Abkommen zur vertieften Zusammenarbeit unterzeichnet, darunter laut dem deutschen Verteidigungsministerium zur Panzerkooperation und zur weiteren Unterstützung der Ukraine.

Pistorius versprach, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato nächstes Jahr trotz der gegenwärtigen gewaltigen Haushaltskrise sogar überschreiten zu wollen. Im Zentrum seiner Rede stand Europa als gemeinsames Projekt von Sicherheit und Freiheit. Dies könne nur durch »einen starken europäischen Pfeiler in der Nato«, durch den Ausbau der europäischen Handlungsfähigkeit, die »Weiterentwicklung vorhandener Instrumente« und Synergiepotenzial sowie ein gemeinsames »Lageverständnis« der EU-Partner erreicht werden, so der Minister.

Katja Keul hatte zu Beginn ihrer Eröffnungsrede am Mittwochmorgen die deutsche Solidarität mit Israel und das Recht des Landes auf Selbstverteidigung gegen die Hamas betont. Dies müsse im Einklang mit dem Völkerrecht stehen. Die Staatsministerin benannte auch das »dramatische« Leid der Bevölkerung in Gaza. In ihrer Rede sprach Keul von wichtigsten Erkenntnissen einer »Zeitenwende« und einem Willen, die »regelbasierte« internationale Ordnung auch als deutscher Partner zu verteidigen. Dazu müssten Prozesse zur zuverlässigen Abschreckung und Verteidigung der EU und Nato eingeleitet werden. Diese Auffassung teilte auch Markus Laubenthal. Die aktuelle Sicherheitslage erfordere Abschreckung, da »der Krieg der Zukunft« jetzt schon stattfinde.

Auch Industrieverteter kamen auf der »Berlin Security Conference« in Reden und Podiumsveranstaltung zahlreich zu Wort. So kritisierte Stefan Thome, Geschäftsführer der Helikopter-Sparte von Airbus, dass vom 100 Milliarden schweren Sondervermögen für die Bundeswehr bisher größtenteils US-amerikanische Firmen profitierten. Er forderte mehr Planungssicherheit und einfachere Verfahren zur Umsetzung von Beschaffungsmaßnahmen. Im Hauptprogramm der Konferenz sprachen außerdem Vertreter des Raketenherstellers MBDA, des Daten-Giganten ATOS oder des Überwachungsdienstleisters Secusmart.

Zwar handelt es sich beim Veranstalter des Kongresses um eine private Verlagsgruppe, jedoch lässt sich der »Behörden-Spiegel« dabei von der Industrie unterstützen. Zu den über 50 Sponsoren zählen neben Boeing und BAE Systems auch Heckler & Koch, Diehl Defence sowie Siemens und Thyssen Krupp. Dabei gilt das Motto: Wer mehr bezahlt, erhält auch mehr Redezeit.

Viele Rüstungsfirmen waren auf der Veranstaltung mit Messeständen vertreten, darunter etwa Lockheed-Martin, Airbus, die Hensoldt AG und die Taurus Systems GmbH, die mit einer originalgetreuen Nachbildung ihres gleichnamigen Marschflugkörpers warben. Damit verfolgt die Konferenz abseits des Programms noch einen ganz anderen Zweck: Die Rüstungskonzerne erhalten die Gelegenheit, hochrangige Persönlichkeiten aus nationaler und internationaler Politik oder auch die Einkäufer der Bundeswehr und des Militärs anderer Staaten im direkten Gespräch zu treffen. Auch entsprechende Verträge werden dort eingefädelt oder verkündet.

Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt demonstrierten 150 Menschen vor dem Kongresshotel unter dem Motto »Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt!« gegen die deutsche Militarisierung. Der Aufruf erfolgte unter Beteiligung der Gruppe Rheinmetall Entwaffnen.

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