Sechs Planeten auf harmonischen Bahnen

Möglicherweise wurde eine Art Fossil unter den Planetensystemen entdeckt, etwa 100 Lichtjahre von der Erde entfernt

  • Ilka Petermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Muster im Weltall: Die Resonanzkette der sechs Planeten von Stern HD 110067
Muster im Weltall: Die Resonanzkette der sechs Planeten von Stern HD 110067

Astronomen haben ein Sixpack entdeckt – im nahen Kühlschrank stets ein erfrischender Anblick, im Fall des rund 100 Lichtjahre entfernten Sterns HD 110067 allerdings eine ziemlich »heiße« Entdeckung. Denn beim kosmischen Sechserpack handelt es sich nicht nur um ein ohnehin schon seltenes System mit sechs Planeten, alle ein wenig kleiner als Neptun, sondern die Planetenumläufe korrelieren auch noch in ganz besonderer Weise.

Das Nasa-Weltraumteleskop TESS (Transiting Exoplanet Survey Satellite) verwendet die Transitmethode zur Entdeckung von Exoplaneten sonnenähnlicher und etwas weniger heller Sterne im Umkreis von 30 bis 300 Lichtjahren. Bei dem Verfahren weist man Exoplaneten indirekt nach: Zieht ein Exoplanet auf seiner Umlaufbahn vor seinem Zentralstern vorbei, nimmt die Helligkeit des Sterns während des Durchgangs um einen winzigen Bruchteil ab – oft erheblich weniger als ein Prozent. Da nun auch andere Phänomene, etwa ein unruhiges Flackern des Sterns oder das Auftreten von »Sonnenflecken«, eine Helligkeitsänderung bewirken können, gilt gemeinhin, dass erst drei beobachtete Transits den gesicherten Fund eines neuen Planeten bedeuten.

Der Beobachtungsbereich von TESS war in insgesamt 26 überlappende Himmelsabschnitte, sogenannte Sektoren aufgeteilt, die jeweils knapp einen Monat lang beobachtet wurden. Die räumliche Überlappung erhöhte auch die Wahrscheinlichkeit, Planeten mit längeren Umlaufzeiten beobachten zu können.

HD 110067 und sein Planetensystem wurde in einer ersten »Sektoren-Beobachtung« von TESS im Jahr 2020 entdeckt. Mehrere Helligkeitsabnahmen schienen auf zwei Exoplaneten hinzudeuten – doch erst mit weiteren Aufnahmen des Sterns im Jahr 2022 und neun zusätzlichen Helligkeitsrückgängen konnten Astronomen die ersten Umlaufparameter sicher bestimmen. Demnach rast der innerste Exoplanet in gut neun Tagen um seinen Zentralstern, ein weiterer braucht 13,7 Tage für eine Umrundung. Alle aufgezeichneten Helligkeitsminima ließen sich mit einem planetaren Doppelpack jedoch noch nicht erklären.

Genaue Analysen der Helligkeitsminima lassen stets auch Hinweise auf weitere Planeteneigenschaften zu, darunter etwa Radius und Dichte, die Natur seiner möglichen Atmosphäre oder auch Charakteristika der Umlaufbahn. Im Rahmen von großen Himmelsdurchmusterungen, die dem ersten Auffinden von Exoplaneten dienen, ist die Beobachtungszeit für einen einzelnen Stern jedoch begrenzt. Soll ein Planetensystem genauer unter die Lupe genommen werden, kommen andere Teleskope zum Einsatz – wie etwa CHEOPS (CHaracterising ExOPlanet Satellite). Das Weltraumteleskop der ESA untersucht Sterne mit bereits sicher identifizierten Exoplaneten mithilfe hochpräziser Photometrie und entlockt den fernen Welten so weitere Informationen. Im Fall von HD 110067 lieferte CHEOPS dann auch gleich genug Daten, um Planet Nummer 3 auf seiner 20 Tage dauernden Umlaufbahn dingfest zu machen.

Die so bestimmten Umlaufzeiten ließen erstmals auf eine besondere Eigenschaft des Systems schließen. Die Zeiten, in denen die Planeten den Stern umlaufen, stehen mit ihrem jeweiligen Nachbarn in einem ganzzahligen Verhältnis, sie bilden »Bahnresonanzen«: In der Zeit, in welcher der innerste Planet drei Umrundungen schafft (gut 27 Tage), hat sein Nachbar den Stern genau zwei Mal umkreist. Und auch zwischen dem zweiten und dritten Planeten besteht dasselbe 3:2-Verhältnis.

Nun deuten Modelle zur Entstehung von Planetensystemen darauf hin, dass solche »harmonischen« Verhältnisse stabilisierende Eigenschaften haben und ein jedes System zu Beginn resonante Bahnverhältnisse aufweisen könnte. Im Laufe der Jahrmilliarden können jedoch Störenfriede, etwa ein nah vorbeiziehender Stern oder ein Impaktereignis, die Ordnung zunehmend durcheinanderbringen. Ein Planetensystem wie das von HD 110067 wäre damit nicht nur ein ganz besonders ursprüngliches »Fossil« – die mögliche Harmonie wurde auch als Ansatz herangezogen, die noch unerklärten Helligkeitsschwankungen zu erklären. Astronomen untersuchten die Möglichkeit, dass die Leuchtkraftminima des Sterns mit Planeten in Verbindung gebracht werden können, welche die »Resonanzkette« fortführen. Drei weitere »Planetenperlen« müssten so mit Umlaufzeiten von knapp 31, 41 und 55 Tagen aufgefädelt sein – was tatsächlich in ausgezeichnetem Einklang mit den Datensätzen steht und die bisher beobachteten Helligkeitseinbrüche erklären kann.

Nicht auszuschließen sind weitere Planeten, die sich gleichfalls harmonisch anschließen und Umlaufzeiten von mehr als 70 Tagen haben. Diese konnten aufgrund der kurzen Beobachtungszeiten bisher jedoch noch nicht gefunden werden. Für diese Begleiter wäre es dann sogar möglich, dass sie in der sogenannten »habitablen Zone« des Sterns liegen könnten, jenem Bereich, in dem flüssiges Wasser dauerhaft vorhanden sein kann. Auf den bisher entdeckten Planeten, nach üblicher Nomenklatur als HD 110067 b-g bezeichnet, ist es mit rund 170 bis 530 Grad Celsius Oberflächentemperatur dagegen etwas mehr als nur sommerlich warm.

Im Jahr 2021 hätte das Planetensystem um TOI-178 übrigens fast schon ein ähnliches Schmuckstück vollbracht. Der 200 Lichtjahre entfernte Stern, ebenfalls von TESS und CHEOPS beobachtet, wird auch von sechs Planeten umrundet: zwei erdähnlichen in Sternnähe, vier neptunartigen Gasplaneten weiter außen. Und für fünf von ihnen läuft auch alles richtig resonant rund – nur der innerste, der scheint etwas beschwipst und läuft ein wenig zu langsam ...

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