- Wissen
- Dr. Schmidt erklärt die Welt
Wann ist etwas Obst und wann Gemüse?
Eigentlich wissen wir immer genau, was Obst und was Gemüse ist, aber gibt es auch eine Definition?
Steffen, was ist eigentlich der Unterschied zwischen Obst und Gemüse?
Tja, das ist eine interessante Frage. Eigentlich wissen wir immer genau, was Obst und was Gemüse ist, aber eine sichere Definition wirst du wahrscheinlich nicht finden. Weil es kein brauchbares Kriterium gibt, was für alle zutrifft. Gängigerweise könnte man sagen, alles, was als Frucht an mehrjährigen Pflanzen wächst, ist Obst und alles, was als Pflanzenteil an einjährigen oder maximal zweijährigen Pflanzen wächst, ist Gemüse. Aber das haut auch nicht hin: Rhabarber gilt als Obst und ist definitiv ein Pflanzenteil und keine Frucht und es ist in der Regel auch eine einjährige Pflanze. Die Einordnungen, die man sonst noch treffen könnte – Obst kann man roh essen und Gemüse muss man kochen – passt ja auch nicht immer.
Wie man bei Tomaten sieht.
Man isst Tomaten, Paprika und Möhren durchaus gerne roh.
Als Universalgelehrter der nd.Redaktion weiß der Wissenschaftsjournalist Dr. Steffen Schmidt auf fast jede Frage eine Antwort – und wenn doch nicht, beantwortet er eben eine andere. Alle Folgen zum Nachhören auf: dasnd.de/schmidt
Ist der Zuckergehalt ein Punkt, an dem man sich orientieren kann?
Im Prinzip ja, aber eben wieder mit den Ausnahmen. Was wir als Obst essen, ist in der Regel süßer, aber es gibt auch krasse Ausnahmen: Die Zitrone ist definitiv Obst und ist ebenso definitiv sehr sauer. Wohingegen Möhren eher süßlich sind, und Tomaten können auch relativ viel Zucker enthalten. Es gab mal eine genetisch veränderte Tomatenpflanze, die sie extra so gezüchtet haben, dass sie nicht so leicht vergammelt und im reifen Zustand besser transportfähig ist. Die war aber dann so süß, dass sie als Tomate keiner haben wollte, sodass sie im Ketchup gelandet ist, wo eh schon kräftig nachgezuckert wird.
Dann gibt es noch den Begriff der Frucht. Ist jede Frucht Obst, aber nicht alles Obst Frucht?
Wir hatten ja schon den Rhabarber, der zum Obst zählt, ohne Frucht zu sein. Im Großen und Ganzen sind Früchte meistens Obst, aber auch da gibt es Schwierigkeiten: Wir haben auch Früchte, die zu den Beeren gehören, obwohl sie vergleichsweise gewaltig sind wie Kürbisse und Melonen. Da ist die Sache schon wieder sehr unübersichtlich. Kürbisse werden die meisten Leute wahrscheinlich zum Gemüse rechnen, bei Melonen bin ich mir nicht so sicher, ob man sich da festlegen mag. Honigmelonen würde ich eher unter Obst versammeln. Das Ganze ist im Kern eher eine Definition, die sich kulturell herstellt als biologisch oder agronomisch, denke ich.
Die Erdbeere gilt, soweit ich weiß, gar nicht als Beere, sondern als Nuss.
Die kleinen Sämchen zählen wohl als Nüsse. Auch Himbeeren und Brombeeren sind im klassischen Sinne keine Beeren, weil sie eine Art Gruppenfrüchte sind. Nur bei der Erdbeere sieht man eben, dass die Kerne komplett außen sind. Bei Brombeeren dagegen sind sie eben alle noch mal von Fruchtfleisch umhüllt.
Dann wiederum gibt es Nüsse, die gar nicht als Nuss gelten, sondern als Hülsenfrucht.
Da gibt es sehr schräge Sachen. Wir sagen Erdnuss, obwohl die nun wirklich weit entfernt von allen Nüssen ist. Das ist eine Hülsenfrucht wie die Sojabohne oder die Gartenbohne. Ein krasseres Beispiel ist die Cashewnuss. Wenn man die am Baum sieht, dann ist da dieser bohnenförmige Kern und obendrüber eine große gelbe, wie es scheint, Frucht. Aber die wird von den Biologen als Scheinfrucht bezeichnet, weil der Kern außerhalb wächst. Auch da ist der Kern – wie die Mandeln oder Pistazien – keine Nuss, sondern der Kern einer Steinfrucht.
Wenn man die Pflanze im Größeren sieht, lassen sich leichter Rückschlüsse schließen, aber das ist selten der Fall.
Wenn wir das Zeug hier im Laden sehen, wissen wir relativ wenig darüber, wo es herkommt. Ich glaube, von Cashewnüssen weiß ich auch erst seit zehn oder 20 Jahren, was das überhaupt für eine Pflanze ist.
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