Klimaaktivisten als Kriminelle verdächtigt – Bauern nicht

Brandenburgs Justizministerin Hoffmann: Ermittlungen gegen Letzte Generation umfangreich und noch nicht abgeschlossen

Aktivisten der Klimaschutzgruppe Letzte Generation waren im Frühjahr und Herbst 2022 auf Pumpstationen der Schwedter PCK-Raffinierie vorgedrungen, hatten dort Ventile abgedreht und damit einmal kurz die Ölzufuhr gestoppt. Am 24. November 2022 hatten Mitstreiter der Gruppe darüber hinaus am Flughafen BER in Schönefeld ein Loch in den Maschendrahtzaun geschnitten, um auf das Vorfeld des Airports zu gelangen. Zehn Flüge allein der Lufthansa-Gruppe wurden deswegen annulliert.

Der Letzten Generation droht, von der Justiz als kriminelle Vereinigung eingestuft und entsprechend hart bestraft zu werden. Den Anfangsverdacht sieht die federführende Staatsanwaltschaft Neuruppin bestätigt und prüft den Vorwurf weiter. Im Dezember 2022 gab es etliche Durchsuchungen. Eine Entscheidung gibt es aber immer noch nicht, obwohl sie bereits einmal für den Sommer sowie für Ende 2023 angekündigt war.

»Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen«, erklärte Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags. Der Fall sei komplex. Umfangreiche Beweismittel müssten sorgfältig ausgewertet werden.

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Nachgefragt hatte die Abgeordnete Marlen Block (Linke). Sie erkundigte sich dabei auch, ob die Justiz im Lichte der jüngsten Bauernproteste nicht zu einer milderen Bewertung der Klimaaktivisten gelangen könnte. Denn während sich die Letzte Generation mit aufsehenerregenden Aktionen gegen einen Klimakollaps einsetzt, wehren sich Landwirte teils militant gegen den Wegfall von Steuervergünstigungen beim Agrardiesel. Die Abgeordnete Block erinnerte daran, dass wütende Bauern Anfang Januar in Schleswig-Holstein eine Fähre blockierten und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der auf der Insel Hallig Hooge Urlaub gemacht hatte, nicht an Land gehen ließen. Beide Proteste seien sicher legitim, bestätigte Block. Sie fragte allerdings, ob hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werde, wenn die Klimaschützer mit schärferen Konsequenten rechnen müssten.

»Wenn bei Bauernprotesten Straftaten begangen werden, werden die selbstverständlich von den Staatsanwaltschaften verfolgt«, versicherte Ministerin Hoffmann. »Ich sehe da keine Vergleichbarkeit der Sachverhalte«, ergänzte Ministerialdirigent Dirk Wilkening. »Die Bauernproteste gehen auf angemeldete Kundgebungen bei der Polizei zurück«, sagte er. »Mit ist kein Fall bekannt, wo die Letzte Generation eine ihrer Aktionen bei der Polizei angemeldet hätte.«

Allerdings seien einzelne Proteste von Landwirten auch nicht angemeldet gewesen, entgegnete die Abgeordnete Block. Sie verwies auf einen ganz frischen Fall, eine Blockade mit Traktoren am frühen Morgen auf der Autobahn 24. Über das Vorgehen der Letzten Generation könne man diskutieren, etwa über das Schütten von Kartoffelbrei auf ein Gemälde im Potsdamer Palais Barberini. Doch sei diese Gruppe »immer friedlich« geblieben. Außerdem erinnerte die Politikerin, das Versammlungsrecht schütze auch unangemeldete Demonstrationen.

»In der Tat richtet sich die Strafzumessung nicht nach der gesellschaftlichen Akzeptanz«, räumte der Abgeordnete Péter Vida (Freie Wähler) ein. Die Letzte Generation darf nicht härter angefasst werden, nur weil die Bevölkerung sich über diese Gruppe aufregt. »Unerträglich«, »unanständig« und »unbegründet« nannte Vida es aber, die protestierenden Bauern in die Nähe von Kriminellen zu rücken, die den Flughafen BER und die PCK-Raffinerie »angegriffen haben«. Ob die Letzte Generation überhaupt wisse, wie gefährlich das sei? Vida sprach von »destruktiven Guerilla-Aktionen« und der Anmaßung, die Welt retten zu wollen.

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