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Wasserreservoirs leeren sich

In Teilen Spaniens sorgen Dürre und extensiver Verbrauch für strukturellen Mangel

  • Ralf Streck
  • Lesedauer: 4 Min.
Kaum noch Wasser im Stausee in Vilanova De Sau: Mehr als sechs Millionen Menschen in der Region müssen ihren Verbrauch einschränken.
Kaum noch Wasser im Stausee in Vilanova De Sau: Mehr als sechs Millionen Menschen in der Region müssen ihren Verbrauch einschränken.

Schaut man im Städtchen Amposta im Süden Kataloniens auf den Ebro, hat man nicht den Eindruck, dass das Land gerade von einer schweren Dürre heimgesucht wird. Der größte spanische Fluss führt an seiner Mündung ins Mittelmeer wieder viel Wasser. Doch der Schein trügt, denn Regen und Schmelzwasser füllen vorübergehend den Ebro und das auch viel zu früh im Jahr. Stauseen, die die Metropole Barcelona versorgen, sind indes nur noch zu gut 15 Prozent gefüllt. Im großen Stausee Pantà de Sau sind es sogar nur noch vier Prozent, der Siurana-See, weiter im Süden, ist leer.

Und der Wasser-Notstand spitzt sich weiter zu, da Regen Mangelware ist. Spaniens Nordosten ist besonders betroffen. Es handelt sich hier um die schlimmste Dürre seit Beginn der Daten-Aufzeichnungen im Jahr 1916. Da es seit drei Jahren deutlich weniger als durchschnittlich geregnet hat, musste die katalanische Regionalregierung nun zähneknirschend Maßnahmen ergreifen, die auch die Metropole Barcelona betreffen. »Die Dürre wird überwunden«, versprach Präsident Pere Aragonés vor wenigen Tagen bei der Ausrufung des Notstands für Katalonien. Damit bestätigte er das Prinzip Hoffnung, das die Minderheitsregierung prägt. Mit Schiffen soll Trinkwasser aus einer Meerwasserentsalzungsanlage in Valencia nach Barcelona befördert werden, um die Not zu lindern. Man befinde sich in einer neuen Klimarealität, in der Dürren »intensiver« sein könnten, fügte Aragonés an.

In Katalonien dürfen nun Gärten nicht mehr bewässert, Autos nicht mehr gewaschen und Swimmingpools nicht mehr gefüllt werden. Von strengen Einschränkungen des Verbrauchs kann aber weiter keine Rede sein. Dass damit der fatalen Lage begegnet werden kann, darf daher bezweifelt werden. In der bisherigen Vorwarnstufe durfte jeder Einwohner noch 210 Liter Wasser pro Tag verbrauchen. Für sechs der 7,5 Millionen Einwohner wurde dieser Wert nun auf 200 Liter pro Tag gesenkt. Zum Vergleich: In Deutschland verbraucht jeder Bundesbürger ganz ohne Notstandsmaßnahmen im Schnitt knapp 130 Liter.

Härtere Einschnitte treffen die Landwirtschaft. Sie soll den Wasserverbrauch um 80 Prozent senken. Obstbauern, denen das Wasser abgestellt wurde, mussten schon im vergangenen Jahr die Früchte von den Bäumen klopfen, um sie zu retten. Die Viehwirtschaft soll nun 50 Prozent, die Industrie dagegen nur 25 Prozent einsparen.

Es ist klar, wo die in Umfragen verlierende Regierungspartei Republikanische Linke (ERC) Prioritäten setzt. Dass der Wasserverbrauch für Bewohner kaum gesenkt wird, ist einerseits dem Vorwahlkampf geschuldet, denn solche Einschnitte sind unpopulär. Es ist andererseits ein Zugeständnis an die wirtschaftlich bedeutende Tourismusindustrie. Urlauber – und das gilt für ganz Spanien – verbrauchen durchschnittlich etwa fünfmal so viel Wasser wie ein Bewohner. Das sei »seit vielen Jahren« bekannt, sagt der Ökonom Santiago Niño-Becerra und fragt rhetorisch: »Welche Maßnahmen wurden unter Berücksichtigung der Tatsache ergriffen, dass Katalonien bereits 1996 und 2008 zwei heftige Dürreperioden durchlebt hat?«

Experten weisen seit Langem auf strukturelle Probleme hin: »Wir erleben eine chronische Überbeanspruchung der Wasserressourcen«, sagt etwa Annelies Broekman, Agrarexpertin am Forschungszentrum für Ökologie und forstwirtschaftliche Anwendungen der Universitat Autònoma de Barcelona. Das gelte auch in Zeiten mit normalen Niederschlägen. Dass Spanien im Dürrejahr 2023 einen Besucherrekord erlebte, habe den Wassernotstand noch zugespitzt. Die Zahl internationaler Touristen hat die Marke von 85 Millionen erstmals gerissen. Sie war fast 19 Prozent höher als 2022 und fast zwei Prozent höher als vor der Corona-Pandemie.

Katalonien ist indes nur ein Beispiel. Im südspanischen Andalusien ist die Lage ähnlich, in einigen Regionen sogar noch krasser. Stauseen in der Provinz Almeria sind nur noch zu neun Prozent gefüllt, in Cádiz und Malaga zu 15 Prozent. Zwar wurde dort bisher nicht der Notstand ausgerufen, aber die rechte Regionalregierung, die ursprünglich sogar illegale Brunnen für den Erdbeeranbau legalisieren wollte, kündigt für Großstädte wie Sevilla, Malaga und Cordoba schon Abschaltungen an, sollte es nicht an »30 Tagen dauerhaft regnen«. Das ist seit 2010 nicht mehr geschehen.

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