Pablo González: Inhaftiert als russischer Spion

Der Journalist Pablo González sitzt seit zwei Jahren ohne Anklage in polnischer Untersuchungshaft

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.
Für den Journalisten Pablo González begann nach seiner Festnahme vor zwei Jahren ein juristischer Albtraum. Eine offizielle Anklage gegen ihn liegt noch immer nicht vor.
Für den Journalisten Pablo González begann nach seiner Festnahme vor zwei Jahren ein juristischer Albtraum. Eine offizielle Anklage gegen ihn liegt noch immer nicht vor.

Neuer Premierminister, neues Glück? Die mit dem Amtsantritt von Donald Tusk verbundenen Hoffnungen, dass sich die Lage des in Polen inhaftierten baskischen Journalisten Pablo González bald verbessern könnte, wurden bisher enttäuscht. Kürzlich hat das Berufungsgericht in Lublin die Untersuchungshaft gegen González erneut um drei Monate verlängert. Der Journalist wurde am 28. Februar 2022, sechs Tage nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, vom polnischen Geheimdienst festgenommen, als er von der Grenze zur Ukraine für spanische Medien über die Ankunft der zahlreichen Kriegsflüchtlinge berichtete.

Der Baske mit spanischer und russischer Staatsangehörigkeit bleibt weiter im Gefängnis der südpolnischen Stadt Radom in Haft. Da weiter nur geheim ermittelt und keine Anklage erhoben wird, kennt er die konkreten Vorwürfe in dem Verfahren weiterhin nicht und kann sich nicht dagegen wehren. Er habe »unter Ausnutzung seines Status als Journalist« für den russischen Militärgeheimdienst spioniert, hatte die polnische Regierung nach seiner Verhaftung erklärt. Seither herrscht Funkstille. Die Ankündigung des früheren Außenministers Zbigniew Rau vor einem Jahr, der Prozess werde »relativ bald« beginnen, erwies sich als falsch.

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Endgültig ist über die achte Haftverlängerung noch nicht entschieden. Die Verteidigung hat Widerspruch dagegen eingelegt. Es gibt aber wenig Hoffnung darauf, dass dem Journalisten Haftverschonung bis zum Prozess gewährt wird, wie es auch die Angehörigen fordern. Als Grund dafür wurde vom Gericht bisher stets Flucht- oder Verdunkelungsgefahr angesichts einer möglichen hohen Haftstrafe von bis zu zehn Jahren angeführt. Medien, für die González gearbeitet hat, halten den Vorgang für skandalös, genauso wie Journalistenverbände und Menschenrechtsvereinigungen, die seine Freilassung fordern. Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) hat den Fall als »beispiellos in der Europäischen Union« angeprangert. Für sie ist es »ebenso unerträglich wie ungewöhnlich«, dass der Journalist noch inhaftiert sei, »ohne dass die polnischen Behörden ihre schwerwiegenden Anschuldigungen belegen konnten«.

González’ Madrider Vertrauensanwalt Gonzalo Boye meint, man wolle seinen Mandanten auch über harte Haftbedingungen »weichkochen«. Gäbe es Beweise, hätte Polen sie »längst vorgelegt«, sagt Boye »nd« und beklagt »sehr langsame Ermittlungen«. Diese führen laut Boye zu nichts: »Man versucht, etwas zu beweisen, was es nicht gab.« Vor kurzem konnte der Anwalt seinen Mandanten besuchen und sich mit dem Verteidigerteam an Ort und Stelle beraten. Er sei »Zeuge einer Reihe von Ermittlungen geworden, die im Jahr 2022 hätten durchgeführt werden sollen und nicht jetzt, zwei Jahre nach seiner Verhaftung«. So dauerte es etwa ein Jahr, bis Warschau ein Rechtshilfeersuchen an Spanien stellte, um Fragen zu González’ Reisepass zu klären. Darauf basierte ein Teil der Anschuldigung, denn der in Russland geborene González verfügt auch über einen russischen Pass, in dem er als »Pavel Rubtsov« (Nachname des Vaters) geführt wird. Zunächst wurde sogar behauptet, González’ Pässe seien gefälscht gewesen. Dies hat sich längst als falsch herausgestellt.

Zu den vielen Besonderheiten in dem Verfahren gehört, dass man González zunächst ohne anwaltliche Vertretung vernahm und ihm nur einen Pflichtverteidiger zuwies. Warschau versuchte zudem alles, um Boye aus dem Verfahren herauszuhalten, der zu Europas bekanntesten Bürgerrechtsaktivisten zählt. Mehr als ein Jahr wurde ihm jeder Kontakt zu dem Journalisten verwehrt. Boye verweist auf die »besorgniserregende« Tatsache, dass »das polnische Recht keine Obergrenze für die Dauer der Untersuchungshaft« kennt. Er habe mit dem Verteidigerteam »Zukunftsszenarien« erörtert, eine immer weiter verlängerte Untersuchungshaft sei die »größte Sorge«. Er kritisiert auch die weiter harten Haftbedingungen und eine »sehr strenge Einzelhaft« mit »wenig Zeit im Hof«. Die Kommunikation mit der Familie finde praktisch nur über »zensierte Briefe« statt, »die im Durchschnitt erst nach zwei Monaten ankommen«. Erst zwei Mal durfte seine Frau González besuchen, Kontakt zu den Kindern hat er nicht.

Allerdings gibt es weiterhin leise Hoffnungen für den inhaftierten Journalisten. Bisher hatte die spanische Regierung stets auf die Rechtsstaatlichkeit Polens gepocht, obwohl auch die EU-Kommission Zweifel an der polnischen Justiz hat. Beim Treffen mit seinem neuen polnischen Amtskollegen Radosław Sikorski forderte der spanische Außenminister José Manuel Albares kürzlich aber, der Prozess solle »so bald wie möglich« beginnen.

Eine Gruppe von Unterstützern in Madrid fordert derweil von der spanischen Regierung, dafür zu sorgen, dass die »psychologische Folter« von González beendet wird. Sie hofft auch auf den neuen polnischen Justizminister Adam Bodnar und hat ihn in einem offenen Brief dazu aufgefordert, dafür sorgen, dass »die Rechte von Pablo González endlich respektiert werden«.

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