Wieviel Spitzen hat ein Hufeisen?

Über die Beobachtung von Milieus, zum Beispiel im Axel-Springer-Verlag

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Journalist, »Blattmacher und Musikverleger« (Wikipedia) Peter Huth hat in seinem bisherigen Leben die ganze Ochsentour absolviert, die man nun mal absolvieren muss, wenn man es als voll funktionstüchtiger Knecht des Axel-Springer-Medienimperiums zu etwas bringen will: Im zarten Alter von nur 28 Jahren – in einem Alter, das so mancher ebenso unambitioniert wie bedenkenlos durchs Leben wackelnde Bohemien oder verpeilte Rockmusiker gar nicht erreicht – wurde der Mann Ressortleiter beim reaktionären Berliner Boulevardblatt »B.Z.«. Zehn Jahre später war er dann Chefredakteur der Zeitung. Eine fragwürdige Karriere dieser Art endet aber naturgemäß nicht vorzeitig, sondern führt logischerweise punktgenau dahin, wo der Sumpf am undurchdringlichsten und das Schamgefühl vollständig suspendiert ist: zur Position des stellvertretenden Chefredakteurs von »Bild«.

Ein Posten, auf dem Huth auch ein paar Jahre lang seine Pflicht erfüllte. »Bild« beschrieb der Schriftsteller Gerhard Henschel einmal treffend so: Die Zeitung sei nichts anderes als die »millionenfache Reproduktion einer beschmierten Toilettenwand«. Und wenn sich an dieser Stelle mal einer bewährt hat, sozusagen als stellvertretender Toilettenwandchef, wie Huth es ja mutmaßlich getan hat, sieht die Belohnung so aus: Man wird befördert zum Chefredakteur der »Welt am Sonntag«, die, so muss man es Unkundigen erklären, eine Art »Bild« für Menschen mit Mittlerer Reife ist. Dort war der Mann dann Chef von 2017 bis 2019. Mittlerweile ist er »Corporate Creative Director« bei dem Unternehmen, eine Art Frühstücksdirektor und Firmen-Talisman.

Huth, der sich in der Vergangenheit nicht gerade als Top-Experte für fortgeschrittene Kapitalismusanalyse hervorgetan hat, weiß erstaunlich viel über das mutmaßliche ehemalige RAF-Mitglied Daniela Klette, das vor einiger Zeit verhaftet wurde und das sich seither gegen ehrabschneidende Berichterstattung nicht zur Wehr setzen kann. In der »Welt« schreibt Huth:

»Die Frau, für deren Freiheit jetzt hunderte Menschen auf die Straße gingen, ist mutmaßlich eine ideologisierte Berufsverbrecherin. Nicht anders als ihre noch flüchtigen mutmaßlichen Komplizen (…) Diese Milieus müssen beobachtet und streng eingehegt werden, denn sie sind – wie ihre Pendants an der anderen Spitze des Hufeisens – der fruchtbare Boden, auf dem Terrorlust und antifreiheitliche Autoritätsideologie keimen.«

Liest man diese Sätze, ergeben sich gleich mehrere Fragen. Man könnte nun zum Beispiel fragen, was genau eine Hufeisenspitze ist – im »Duden« ist das Wort nicht verzeichnet – und wie viele »Spitzen« ein Hufeisen genau hat. Und man könnte fragen, ob man eine linksradikale Seniorin, der bisher juristisch weder ein Mord noch sonst ein schweres Gewaltverbrechen nachgewiesen wurde und die mutmaßlich Mitglied einer militanten linken Organisation war, die sich vor mehr als einem Vierteljahrhundert aufgelöst hat, zwingend gleichsetzen muss mit einer neonazistischen Mörderbande. All das könnte man fragen.

Man könnte, wenn man wollte, es aber auch so betrachten: Peter Huth, ein Mann, bei dem man sich zu gegebener Zeit zweimal überlegen sollte, ob man für seine Freiheit auf die Straße ginge, ist mutmaßlich ein ideologisierter Berufsrevolverblattjournalist. Nicht anders als seine mutmaßlichen »Bild«-Zeitungskomplizen. Diese Milieus müssen beobachtet und streng eingehegt werden, denn sie erfinden nicht nur ohne Not bekloppte Wörter wie »Hufeisenspitzen«, sondern sind auch der fruchtbare Boden, auf dem Polizeistaatspropaganda und antifreiheitliche Autoritätsideologie keimen.

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