Verbot von LSD-Derivaten: Wettlauf gegen das Gesetz

Das Bundesgesundheitsministerium will die Substanz 1D-LSD verbieten. Die Anbieter erfinden voraussichtlich einfach neue Derivate

  • Fabian Kunow
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Konsum von Cannabis wird legal, das hat der Bundesrat in der vergangenen Woche entschieden. Doch das gilt nicht für andere bewusstseinsverändernde Substanzen, die wesentlich stärker wirken. So soll das LSD-Derivat 1D-LSD, das bisher frei verkäuflich ist, verboten werden. Noch handelt es sich bei dem Vorhaben jedoch lediglich um einen Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, wie eine Sprecherin des Bundesrats gegenüber »nd« betont.

Auf die Lücke zwischen Vorhaben und Umsetzung macht der Berliner Internetversand Acid Berlin mit dem Slogan »Olaf hat die Pappen satt« aufmerksam: Potenzielle Käufer sollten schnell noch bestellen, bevor ein Verbot einsetzt. Der Händler kritisiert die unterschiedliche juristische Bewertung von LSD und Cannabis.

LSD (Lysergsäurediethylamid oder LSD-25), auch Acid (Säure) genannt, ist eines der stärksten Halluzinogene und seit 1938 bekannt. 1971 wurde es nach einer Übereinkunft innerhalb der Vereinten Nationen als Betäubungsmittel für den privaten Gebrauch verboten. Das besonders seit der Hippiezeit populäre Rauschmittel wird als Flüssigkeit auf kleine Stücke Papier aufgegeben – daher der Name »Pappe« – und unter die Zunge gelegt.

LSD erzeugt eine veränderte Wahrnehmung des eigenen Körpers oder der Umgebung: Sinne verschmelzen, es entstehen Synästhesien. Gehirnareale, die normalerweise nicht miteinander verbunden sind, verbinden sich. Konsumenten denken dann zum Beispiel, dass sie Musik sehen oder Farben schmecken könnten. So beschreibt Augustine Reppe, Mitarbeiterin der Berliner Drogenhilfe Vista, die Wirkung gegenüber »nd«.

Eine unerwünschte Wirkung könne sein, dass »zurückliegende unschöne Erlebnisse wieder präsent werden«. Der Rausch werde dann sehr belastend und könne Panik auslösen. Die Sprecherin des Bundesdrogenbeauftragten warnt sogar vor möglichen Horrortrips mit Panikanfällen und Verfolgungswahn bis hin zu Todesangst. Zudem gebe eine erhöhte Unfallgefahr durch eine falsche Fremd- und Selbsteinschätzung, so Reppe. Im Gegensatz zu vielen andere Drogen habe LSD jedoch eine wenig toxische Wirkung im Körper und das Abhängigkeitspotenzial sei gering.

Um das LSD-Verbot zu umgehen, kommen immer wieder sogenannte LSD-Derivate auf den Markt. Dabei handelt es sich um Substanzen, die eine LSD-ähnliche Wirkung haben, deren chemische Verbindung sich jedoch minimal unterscheidet. Reppe vermutet, dass »die Konsumrisiken ähnlich sind«, genau wisse sie es aber nicht. Das Problem: »Je weiter sich Derivate von der Struktur des ursprünglichen LSD entfernen, desto weniger wissen wir eigentlich von den Langzeitfolgen.«

Das Juristen-Onlineportal »Legal Tribune Online« (LTO) spricht von einer »Art Wettlauf zwischen Gesetzgeber und den Anbietern, die eine Strafbarkeitslücke ausnutzen, wenn sie eine neue, manchmal nur minimal veränderte Substanz anbieten«, die noch nicht von sogenannten Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz (NpSG) erfasst wird. Dadurch werde in immer entfernteren chemischen Stoffgruppen herumexperimentiert werde, mit teils unkalkulierbarem Risiko, warnt Reppe.

LTO beschreibt zudem eine skurrile Folge dieses Wettlaufs: Bei der Aufnahme von zwei früheren LSD-Derivaten in die Liste des NpSG im Oktober 2022 ist »etwas gehörig schiefgelaufen.« Es habe »ein Interpunktionsfehler im Gesetzestext dazu geführt, dass aktuell eine Reihe von LSD-Derivaten nachträglich legalisiert beziehungsweise nicht erfasst wurden«. Auf Nachfragen des »nd« bestätigte das Gesundheitsministerium die Peinlichkeit: »Dieser Interpunktionsfehler ist im Sinne einer Klarstellung kurzfristig innerhalb weniger Wochen korrigiert« worden.

Für Reppe geht es aber um etwas Anderes: Die Suche nach immer neuen Schlupflöchern zeige, dass es anscheinend den Wunsch gebe, entsprechende Rauschmittel zu konsumieren, ohne sich strafbar zu machen. Der Vorteil an einer legalen Bestellung sei die Sicherheit, genau zu wissen, was man bekommt, wie ein 1D-LSD-Konsument zu »nd« sagt. Das sei auf dem Schwarzmarkt nicht gegeben.

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