Frieden finden, aber wie?

Postpunk? Messer machen jetzt »Kratermusik«

  • Luca Glenzer
  • Lesedauer: 3 Min.
Plattenbau

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Vor zehn Jahren fast eine Hit-Band: Messer
Vor zehn Jahren fast eine Hit-Band: Messer

Dass die Post-Punk-Formation Messer vage, über Raum und Zeit hinausweisende Begriffe schätzt, ist bekannt. »Im Schwindel« taufte sie einst ihr Debüt, das vor zwölf Jahren erschien. In den Folgejahren folgten Songs wie »Staub«, »Tiefenrausch« oder »Die Hölle«. Kürzlich veröffentlichte die Band um den Sänger, Songschreiber und Schriftsteller Hendrik Otremba ihr neues Album »Kratermusik«. Ein phonetisch kantiger Begriff, der weitreichende Assoziationen nach sich zieht.

Es mag manch einen verwundern, von einem neuen Messer-Album zu lesen, war es in den vergangenen Jahren doch recht ruhig geworden um die Band. Das war nicht immer so: Gemeinsam mit der damals noch in Stuttgart ansässigen Band Die Nerven waren sie Anfang der 2010er Jahre das mediale Aushängeschild des Post-Punk-Revivals in Deutschland. Mit ihrem zweiten Album »Die Unsichtbaren« standen sie im Jahr 2013 vor einem kommerziellen Durchbruch im Kleinen. Ihr Hit »Neonlicht« machte damals die Runde und kam bei Youtube und Spotify zusammengerechnet in den Folgejahren auf knapp 500 000 Klicks.

Es folgten Angebote von Plattenfirmen und mediale Aufmerksamkeit. Doch Messer strebten keine Karriere, sondern künstlerischen Gehalt an. So folgt 2016 das sperrige »Jalousie«. Zwischenzeitlich stand die Band aufgrund interner Konflikte und Richtungsstreitigkeiten auf dem Spiel. Doch die Band konsolidierte sich und veröffentlichte 2020 das wavig-funkige »No Future Days«, dessen apokalyptischer Anklang die kurz darauf einsetzende Pandemie vorwegnahm.

Den damals eingeschlagenen Weg setzt die Band nun auch vier Jahre später auf »Kratermusik« weiter fort. Bereits der Opener »Frieden finden« ist ein Messer-Stück aus dem Lehrbuch. »Frieden finden, aber wie/ in einer Welt/ ohne Philosophie?« singt Otremba gleich zu Beginn mit seinem hellen, unnachahmlichen Sprechgesang, und unterstreicht damit, dass Fragen mitunter auch Anklagen implizieren können, wenngleich die Band darauf verzichtet, Urteile zu sprechen.

Das Stück spannt dabei mit seinen Mid-Tempo-Beats und verzerrten Gitarren einen Bogen in die Frühphase von Messer, bevor mit den beiden folgenden Tracks »Schweinelobby (Der Defätist)« sowie »Der Atem« der funkige sowie dubbig-groovige Faden des Vorgängerwerks wieder aufgenommen wird. Das darauffolgende »Oswalth (1 2 3 4)« kommt hingegen mit einem beinahe hard-rockig-stampfenden Riff daher und fräst sich mit seinem eingängigen Refrain (»Tanz 1 2 3 4«) bereits nach dem ersten Hören in die Hirnrinde ein.

Geschickt variiert die Band im Laufe des Albums immer wieder Tempi und Dynamiken. Energetisch-punkige Tracks wie »Eaten Alive« oder »Spiegel« wechseln sich dabei ab mit langsameren Stücken wie »Kerzenrauchers letzte Nacht« oder »Am Ende einer groszen Verwirrung«. Auf diese Weise verlangen Messer konstant die volle Aufmerksamkeit der Hörenden. Dennoch vermisst man mitunter Wiedererkennungseffekte, die die Band auf ihren ersten drei Alben noch en masse produzierte: Abgesehen von »Oswalth (1 2 3 4)« bleiben nur wenige Stücke auch nach dem Absetzen der Kopfhörer im Ohr. Doch das ist nicht dramatisch, denn man kann sie ja jederzeit wieder aufsetzen.

Messer: »Kratermusik« (Trocadero/Indigo)

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