Osterschokolade: Große Hohlfiguren

Wenn es darum geht, Schokohasen zu verpacken, hat der deutsche Mittelstand noch die Nase vorn

Hohlfiguren in Formation: Im brandenburgischen Familienunternehmen Confiserie Felicitas verarbeiten 45 Angestellte täglich bis zu 400 Kilogramm Schokolade
Hohlfiguren in Formation: Im brandenburgischen Familienunternehmen Confiserie Felicitas verarbeiten 45 Angestellte täglich bis zu 400 Kilogramm Schokolade

Nicht lange her ist es, dass sich der deutsche Mittelstand in einem offenen Brief über die Sparpolitik der Bundesregierung empörte. Während die sozialliberale Koalition die gewünschte »Entlastungs- und Investitionsoffensive« noch immer nicht verabschiedet hat, tun die tüchtigen Mittelständler*innen dennoch ihr Bestes, um Deutschlands Position gegen die Weltmarktkonkurrenz zu stützen. Die Maschinenfabrik Wilhelm Rasch im nordrhein-westfälischen Efferen etwa hat pünktlich zum Osterfest eine vollautomatische Verpackungsmaschine entwickelt, mit der auch Schoko-Osterhasen »angezogen werden« (»Kölner Stadtanzeiger«). Die Geschäftsführerin Tina Gerfer brachte die Situation voller Unternehmerinnenstolz in der Lokalzeitung auf den Punkt: »Bei den großen Hohlfiguren kommen wir auf einen Marktanteil von 90 Prozent.«

Auch die östlichen Bundesländer liefern ihren Beitrag zum Schokoladenstandort Deutschland: »Blutwurstpralinen in bitterer Schokolade aus Sachsen erobern die Welt« (MDR). Während man sich die Frage stellt, ob wirklich in jedem Nahrungsmittel totes Tier verarbeitet werden muss, drängt sich der Gedanke auf, dass Blutwurstpralinen ein passender kulinarischer Ausdruck von Zuständen sind, in denen der Faschismus salonfähig wird, während die regierende Sozialdemokratie für den Weltkrieg aufrüstet.

Eine gute Nachricht könnte gerade in diesem Zusammenhang sein, dass der Genuss von Zartbitterschokolade die Hirnleistung »deutlich verbessert«, wie mehrere Studien belegen. Deutet sich hier passend zu Ostern ein Hoffnungsschimmer an? Oder wird die Revolution am Ende dadurch verhindert, dass viele Menschen Vollmilchschokolade bevorzugen? Das müsste untersucht werden. Aber schon drängt sich die nächste Hiobsbotschaft auf: Bestimmte Schokoladensorten sind hoch mit Schwermetallen belastet! Eine Tafel »mit 70 Prozent Kakaogehalt wies einen hohen Cadmiumgehalt auf, die Tafel mit 85 Prozent Kakaogehalt einen hohen Bleigehalt« (Verbrauchermagazin »Beobachter«). Wie die schädlichen Stoffe in die Süßigkeit kommen? Die Antwort lautet: wie üblicherweise in der unvernünftigsten Produktionsweise aller Zeiten. It’s Capitalism, stupid! Laut dem Magazin »Consumer Reports« müsste es, um etwa eine Bleibelastung der Kakaopflanze zu vermeiden, »Änderungen in den Ernte- und Herstellungsverfahren geben«. Der Tipp der Zeitschrift, man könne »durch das Trocknen von Bohnen auf Tischen oder sauberen Planen abseits von Straßen oder mit Schutzabdeckungen den Kontakt der Bohnen mit dem Boden minimieren«, klingt dagegen etwas kurz gegriffen.

All jenen, die nun hin- und hergerissen sind zwischen dem Versprechen besserer Hirnleistung, der deutschen Nasenlänge vorn im globalen Wettbewerb und der Angst vor Bleivergiftung, macht die gute alte Religion ein unschlagbares Angebot: Zu Ostern beginne »die 50-tägige österliche Freudenzeit, an deren Ende das Pfingstfest steht. Auf dem Weg Jesu schreiten die Gläubigen vom Verderben zum Heil, vom Verzicht zur Fülle und vom Leiden zur Freude.« So weit die Evangelische Kirche in Deutschland – und wer’s glaubt, wird bekanntlich selig. Tanja Röckemann

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