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Essen-Trainer Markus Högner: »Einziger Verein ohne Schulden«

Der Coach über das 0:9 beim VfL Wolfsburg und die Übermacht der Lizenzvereine in der Frauen-Bundesliga

  • Interview: Frank Hellmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Erstmal drei Tage frei: Markus Högner muss seine Mannschaft nach dem 0:9 in Wolfsburg wieder aufrichten.
Erstmal drei Tage frei: Markus Högner muss seine Mannschaft nach dem 0:9 in Wolfsburg wieder aufrichten.

Ihre SGS Essen hat das DFB-Pokal-Halbfinale beim VfL Wolfsburg gleich mit 0:9 verloren. Die Niedersächsinnen treffen in ihrem zehnten Endspiel in Folge nun am 9. Mai in Köln auf den FC Bayern, der sich am Ostersonntag im Elfmeterschießen gegen Eintracht Frankfurt durchgesetzt hat. Was sind die Ursachen für diese Lehrstunde gewesen?

Wir hatten uns natürlich mehr ausgerechnet, weil wir nach den Leistungen gegen Spitzenteams in den letzten Bundesliga-Wochen sehr euphorisiert waren. Uns hat immer die defensive Stabilität ausgezeichnet, aber diesmal ist komplett das Gegenteil der Fall gewesen. Nach dem frühen Doppelschlag waren wir konsterniert. Man muss auch sagen, dass Wolfsburg einen hervorragenden Tag hatte, insbesondere durch Svenja Huth, die immer wieder angetrieben hat. Lena Oberdorf hat jeden Zweikampf gewonnen – und so hat Wolfsburg uns komplett den Schneid abgekauft. Wir hatten einfach zu viele Ausfälle; leider auch von Spielerinnen, die die ganze Saison sehr konstant waren.

Was folgt daraus?

Ich habe der Mannschaft erst einmal drei Tage über Ostern freigegeben, damit wir diese bittere Niederlage abhaken, um uns die letzten fünf Spieltage komplett anders zu präsentieren. Ich erwarte jetzt in zwei Wochen gegen Nürnberg ein Zeichen von der Mannschaft, damit wir am Saisonende im oberen Mittelfeld landen. Und am letzten Spieltag in Wolfsburg haben wir ja noch mal die Möglichkeit, uns komplett anders zu präsentieren.

Interview

Markus Högner, 56, war zunächst von 2010 bis 2016 Trainer bei der SGS Essen und hat seit 2019 wieder die Verantwortung beim Frauen-Bundesligisten. Zwischenzeitlich arbeitete er als Co-Trainer unter Steffi Jones bei der deutschen Frauen-Nationalelf und beim VfL Wolfsburg, wo die SGS Essen im DFB-Pokalhalbfinale am Samstag ein 0:9-Debale erlebte.

Grundsätzlich ist SGS Essen als einziger Frauenfußballverein ja seit Jahren konkurrenzfähig und aktuell Sechster der Liga.

Vor ein, zwei Jahren mussten vor allem die Nationalspielerinnen politische Statements abgeben, dass die Zukunft in den Lizenzvereinen liegt. Daraufhin habe ich Alexandra Popp auch mal geantwortet, nachdem der Eindruck rüberkam, als ob wir auf Asche mit nur zehn Bällen trainieren. Nur weil wir erst um 17 Uhr mit dem Training beginnen, ist die Arbeit nicht schlechter. Ich kann einigen Spielerinnen nicht sagen, schmeißt die Schule oder das Studium hin, damit wir morgens trainieren. Trotzdem arbeiten wir hochprofessionell, beschäftigen mit Erskine Bakker einen exzellenten Athletiktrainer, den heute noch viele Nationalspielerinnen aufsuchen.

Also hat auch der Standort in Essen-Schönebeck einiges zu bieten?

Wir haben ein Funktionsgebäude, das wir uns nicht mit einer U17, U19 oder U23 teilen müssen. Außerdem ist es als junge Fußballerin auch wichtig, mal Hindernisse zu überwinden. Ich finde es wichtig, dass nicht alles geleckt ist und ausgelegt wird. Die Akteure müssen bei uns gewissermaßen in Vorleistung gehen, damit es sich für sie auch monetär auszahlt, in der Bundesliga zu spielen.

Beim letzten Wirtschaftsreport der Frauen-Bundesliga kam heraus, dass im Schnitt zwei Millionen Euro an Erlösen nicht mehr reichen, um die Gehälter zu zahlen. Fast die Hälfte eines Etats von rund 3,8 Millionen Euro ist nicht gedeckt. Was sagen Sie dazu?

Wir sind tatsächlich der einzige Verein, der keine roten Zahlen schreibt – und darauf sind wir auch stolz. Wir haben keine Schulden. Wir werden den Spielerinnen nur das bezahlen, was wir auch erwirtschaften. Jeder weiß: Frauenfußball ist von den Profivereinen querfinanziert, aber meines Erachtens geht die Entwicklung in eine ungesunde Richtung. Eigentlich kann ich als vernünftiger Mensch doch lediglich das ausgeben, was ich auch einnehme.

Der DFB hat einen Professionalisierungs- und Wachstumsplan vorgelegt, in dem von einem Mindestgrundgehalt von 2920 Euro monatlich die Rede ist. Was sagen Sie dazu?

Da halte ich gar nichts davon. Ich kann einer 16-, 17-Jährigen nicht dieses Geld bezahlen, ohne mein Gehaltsgefüge komplett durcheinander zu bringen. Gerade das passiert ja gerade im Frauenfußball: Weil in England Unsummen bezahlt werden, zieht der eine oder andere deutsche Verein mit. In meinen Augen werden dadurch einige Spielerinnen überbezahlt – bei aller Liebe.

Sie waren selbst mal Bundestrainer der deutschen Beachsoccer-Nationalmannschaft und unter Steffi Jones Assistenztrainer der DFB-Frauen. Was sagen Sie dazu, dass Christian Wück im Sommer auf Horst Hrubesch neuer Bundestrainer wird?

Das finde ich gut. Er hat mit der U17 die EM und WM gewonnen und bekommt mit Maren Meinert eine Toptrainerin dazu, die auch Titel geholt hat. Diese Kombination gefällt mir. Ich finde, dass wir in Deutschland richtig gute Fußballerinnen haben. Ich habe das Entscheidungsspiel in Heerenveen gegen die Niederlande gesehen: Horst Hrubesch strahlt Ruhe aus und ist der richtige Mann am richtigen Ort. Die Nachfolgelösung mit Christian Wück halte ich für gut, um nach einem Umbruch etwas Langfristiges zu entwickeln; dass er das kann, hat er im Nachwuchsbereich bewiesen. Wir werden auch die nächsten drei, vier Jahre eine starke Nationalelf haben.

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