Beim Tesla-Protestcamp raucht es

Innenausschuss des Landtags streitet über Waldbrand- und Explosionsgefahr

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Brandenburg gehöre derzeit zu den trockensten Regionen Deutschlands. Mit dem ersten warmen Wochenende seien die Böden bereits so ausgetrocknet, dass die Waldbrandgefahr von Stufe vier auf fünf gestiegen sei. Fahrlässiges Verhalten sei weiterhin die häufigste Brandursache. Vom 1. März bis 31. Oktober sei Rauchen im Wald verboten, informiert am Mittwoch die Schutzgemeinschaft deutscher Wald.

Nun gibt es aber im Forst bei Fangschleuse ein Protestcamp mit Baumhäusern. Es richtet sich gegen die geplante Erweiterung der Tesla-Autofabrik. In dem Camp soll eine Raucherinsel angelegt sein. Damit keine angezündete Zigarette einen Flächenbrand entfacht, soll rund um diese Raucherinsel ein Schutzstreifen ausgehoben worden sein. Das ist aber ebenfalls untersagt. Denn zu den Auflagen der Polizei für das Protestcamp, die vor Gericht Bestand hatten, gehört die Vorschrift, nicht zu buddeln, weil im Erdreich Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg schlummern könnten.

Nach Angaben von Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) soll ein Kollege der Forstverwaltung die Raucherinsel genehmigt haben. So schildert es der Minister verwundert und verärgert am Mittwoch im Innenausschuss des Landtags. Frank Reichel, Abteilungsleiter im Umweltministerium, kann sich das nicht vorstellen, dass ein Förster das erlaubt haben soll. »Rauchen ist grundsätzlich verboten. Das steht im Waldgesetz drin. Da gibt es gar kein Vertun.«

Abteilungsleiter Reichel hat auch keine Kenntnis, dass Aktivisten mehrere alte Kiefern gefällt haben sollen, um das Holz als Baumaterial für das Camp zu verwenden – wie Innenminister Stübgen berichtet. Das wäre selbstverständlich ebenfalls illegal.

Reibereien und unterschiedliche Auffassungen zwischen ihren beiden Ressorts gibt es mit Blick auf das Protestcamp einige. So verweist Stübgen auf die bereits bestehende Tesla-Fabrik, die im März 2022 eröffnet wurde. Vor dem Baustart Anfang 2020 waren auf Luftbildern Bombenkrater entdeckt worden. Man wisse, dass im Zweiten Weltkrieg mehrere Geschwader die Gegend bombardierten, weil die faschistische Wehrmacht hier unterirdische Munitionslager angelegt hatte, erläutert Minister Stübgen. Beim zwei Millionen Euro teuren Absuchen des Geländes und der Zufahrten seien dann tatsächlich mehr als 20 scharfe Bomben aus US-amerikanischer Produktion gefunden und unschädlich gemacht worden, »außerdem Munition für Haubitzen, Handgranaten et cetera«. Von Luftbildern wisse man, dass auch das Areal des Protestcamps munitionsbelastet sein könne.

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Solche Informationen lagen dem Umweltministerium bislang nicht vor, rechtfertigt Abteilungsleiter Reichel seine bisherige Einschätzung. Für das Gelände bestehe zwar ein Kampfmittelverdacht – wie für weitere 580 000 Hektar Wald in Brandenburg –, aber dennoch gebe es keine besondere Gefahrenlage, die eine Räumung des Camps wegen Sicherheitsbedenken rechtfertigen würde. Die oppositionelle Landtagsabgeordnete Marlen Block (Linke) kann dem Abteilungsleiter da folgen. Schließlich sei zum Beispiel auch die Stadt Oranienburg hochgradig mit Blindgängern belastet und werde dennoch nicht abgesperrt.

Das alles ist bedeutsam, weil das Innenministerium damit seine zwei bereits beim Oberverwaltungsgericht eingereichten Beschwerden gegen die Zulassung des Protestcamps begründen kann und auch will. Die eine Beschwerde bezieht sich auf das von den Aktivisten direkt am Bahnhof Fangschleuse aufgeschlagene Lager mit Küche, die andere auf das zwischen Bahnhof und Fabrik mitten im Wald eingerichtete Camp mit Baumhäusern und Zelten. Dem Innenminister zufolge schlafen dort zwischen 60 und 80 junge Leute. Die Polizei setze zur Absicherung eine Hundertschaft ein. Da seien aber auch die Beamten mitgerechnet, die seit 60 Tagen neuralgische Punkte der Energieversorgung bewachen. Durch einen Anschlag auf einen Strommast war zuvor die Fertigung der Elektroautos in der Fabrik für mehrere Tage lahmgelegt. Vom Protestcamp ist das nach allem, was man bisher weiß, nicht ausgegangen. Es setzt auf friedlichen Widerstand.

Zu den Kosten des Polizeieinsatzes kann Stübgen dem daran interessierten SPD-Abgeordneten Uwe Adler nichts sagen. Aber die Summe spiele hier auch überhaupt keine Rolle, wirft der Abgeordnete Heiner Klemp (Grüne) ein. Er pocht auf die Versammlungsfreiheit und ein Protestcamp müsse nun einmal abgesichert werden. Das müsse sich eine Demokratie leisten. »Natürlich werden dort Ordnungswidrigkeiten begangen – ohne Ende, würde ich mal salopp sagen.« Aber das sei bei jeder Versammlung so.

Abteilungsleiter Reichel beteuert mehrfach, so weit würden Innen- und Umweltministerium hier gar nicht auseinander liegen, und schlägt gemeinsame Begehungen vor. »Baumhäuser und Zelte gehören nicht in den Wald.« Auch die Verrichtung der Notdurft sehe man kritisch. »Ich möchte klarmachen, dass es uns nicht gefällt, dass da Leute im Wald sitzen.« Aber eine erhöhte Gefahrenlage sei bislang nicht zu erkennen gewesen, auch nicht wegen etwaiger Munitionsbelastung. Wenn Bomben im Boden verborgen liegen, dann zwei oder drei Meter tief, so habe man angenommen. Da müssten die Aktivisten Gruben ausheben, um eine Explosion auszulösen – und das dürfen sie ja auch nicht. Übrigens seien in der vorherigen Kiefernmonokultur früher schon Laubbäume dazugepflanzt worden und dabei sei nichts passiert.

Eingerichtet ist das Camp an einer Stelle, wo Bäume für die Fabrik gefällt zu werden drohten. Doch nachdem sich Anwohner in einer Bürgerbefragung mehrheitlich gegen den Bebauungsplan ausgesprochen hatten, passte die Gemeinde Grünheide den Bebauungsplan an. Nach dem abgespeckten Entwurf, der gegenwärtig zur Einsichtnahme öffentlich ausliegt, würde das Waldstück des Protestcamps Wald bleiben. Das Innenministerium will vor Gericht auch damit argumentieren, glaubt aber selbst nicht, dass dieser Fakt ein ausschlaggebender Hinderungsgrund wäre. In der Hauptsache hat die Justiz noch gar nicht entschieden. Bisher handelte es sich nur um vorläufige Beschlüsse. Mit der Frage, ob Baumhäuser zulässig sind, hat sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg laut Stübgen bisher noch nie befasst. Gerichte in Sachsen und Sachsen-Anhalt seien bei ähnlich gelagerten Fällen zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangt.

Bisher glaubte der Abgeordnete Matthias Stefke (Freie Wähler), man könnte den Eindruck gewinnen, die Kampfmittelbelastung sei nur ein vorgeschobenes Argument, ein unliebsames Camp wegzubekommen. Nun denkt er das nicht mehr und hält den laxen Umgang mit der Gefahr für »erschreckend«. Von einer »ernstzunehmenden Gefährdung« spricht Björn Lakenmacher (CDU). »Hier kann auch die Versammlungsfreiheit ihre Grenzen finden.«

Für die Initiative »Tesla stoppen« hatte Leo Meyer im März gesagt: »Wir gehen erst, wenn wir die Werkserweiterung verhindert haben.«

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