Blitzende Höchstleistung

Der stärkste Laser der Welt ermöglicht neue Experimente

  • Ilka Petermann
  • Lesedauer: 4 Min.
Im neuen Laserforschungszentrum in Măgurele bei Bukarest
Im neuen Laserforschungszentrum in Măgurele bei Bukarest

Als Theodore Maiman im Jahr 1960 den ersten Laser entwickelte, reagierte die Fachwelt ausgesprochen zurückhaltend. Eine praktische Anwendung von Laserstrahlen, elektromagnetischer Strahlung sehr hoher Intensität in einem engen Frequenzbereich, schien kaum vorstellbar. Und selbst Maiman beschrieb seine Apparatur als »eine Lösung, die ein Problem sucht«.

Seitdem war die Wissenschaft sehr erfolgreich im Finden von »Problemen«. Laser kommen im täglichen Leben zum Einsatz, etwa zum Auslesen optischer Speichermedien, als Entfernungsmessgeräte oder als medizinisches Laserskalpell, und sind auch aus der Grundlagenforschung nicht mehr wegzudenken.

Jetzt wurde ein neuer Rekord aufgestellt: Der stärkste Laser der Welt steht derzeit in Rumänien, entwickelt im Rahmen des EU-Projekts »Extreme Light Infrastructure«, kurz ELI. Damit der neue Laser auf seine Rekordleistung von 10 Petawatt (Billiarden Watt) kommt, musste ein nobelpreisgekröntes Konzept umgesetzt werden.

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So sind bei geringen Lichtintensitäten die optischen Eigenschaften eines Materials unabhängig von der Bestrahlungsstärke und physikalischen Effekten wie Absorption, Ausbreitungsgeschwindigkeit oder Reflexion nur von der Frequenz des Lichts und dem eingesetzten Material abhängig. Im Bereich jener »linearen Optik«, die wir aus dem täglichen Leben kennen, beeinflussen sich Lichtwellen nicht gegenseitig, und bei der Wechselwirkung von Licht mit einem Material bleibt auch alles beim Alten.

Mit steigender Lichtintensität gelten diese Prinzipien jedoch nicht mehr: Im Bereich der »nichtlinearen Optik« können die optischen Eigenschaften eines Materials beziehungsweise das Licht selbst modifiziert werden. Das kann gewünscht sein wie etwa bei der Frequenzverdopplung (aus einer leicht herzustellenden roten Laserdiode wird so etwa ein anders nicht zu erzeugender grüner Laserstrahl generiert) – oder auch zur völligen Zerstörung der optischen Komponenten eines Lasers führen. Mitte der 80er Jahre stieß man so bei der Leistungssteigerung von Lasern an eine Grenze.

Nobelpreisgekröntes Konzept

Mit der Methode der »Chirped Pulse Amplification« (etwa: Verstärkung von frequenzveränderlichen Pulsen), für die Donna Strickland und Gérard Mourou 2018 den Nobelpreis erhielten, können diese Schäden verhindert werden. Ein Laserpuls wird dabei zeitlich so gestreckt, dass sich die Energiedichte auf »harmlose« Werte verringert. Erst außerhalb des Lasers wird der abgeschwächte Puls durch ein Verstärkermedium gelenkt und anschließend wieder komprimiert, woraus eine stark erhöhte Leistungsdichte resultiert. Die so erreichten Leistungsspitzen im Petawattbereich werden dabei für extrem kurze Zeiten erzeugt: Gerade einmal wenige Billiardstel Sekunden lang sind die Laserpulse am Ende.

Die blitzende Höchstleistung eröffnet völlig neue Möglichkeiten für Experimente. So können etwa erstmalig Bedingungen im Labor erzeugt werden, die Drücke und Temperaturen im Innern von Sternen simulieren. Dazu soll in einem geplanten Experiment Laserstrahlung auf einen fast lichtschnellen Elektronenstrahl gelenkt werden, wodurch hochenergetische Gammastrahlung entsteht. Diese kann anschließend ein Element wie Sauerstoff zerlegen, und Forscher können so »rückwärts« untersuchen, wie sich das Element zuvor durch Fusion von Kohlenstoff und Helium gebildet hat, wie sie in Sternen abläuft.

Das liefert dann womöglich auch wertvolle Hinweise zur »Trägheitsfusion«. Bei diesem Verfahren soll starke Laserstrahlung ein Deuterium-Tritium-Kügelchen durch extremes Aufheizen zum Zünden, also zur Fusion der Komponenten, bringen, wodurch letztlich Energie gewonnen werden soll.

Auch bei der Entwicklung einer lasergestützten Neutronenquelle soll ELI grundlegende Ergebnisse liefern. Eine solche Quelle könnte etwa helfen, geschmuggeltes radioaktives Material ausfindig zu machen, da Neutronen auch sehr dicke Wände, etwa solche von Transportcontainern, problemlos durchdringen und über Kernreaktionen jenes Material »verraten« können.

Laserbeschuss von radioaktivem Abfall

Eventuell helfen extrem starke Laser sogar beim Problem der Entsorgung von radioaktiven Brennstoffen. In ersten Versuchen ließ sich zeigen, dass durch Laserbeschuss ein sehr langlebiges Iod-Isotop in ein anderes umgewandelt werden kann, das nach gerade einmal 25 Minuten in stabiles Xenon zerfällt.

Eine Aufholjagd hat übrigens schon begonnen: So arbeiten die USA, China und Frankreich bereits an der Realisierung noch stärkerer Laser – damit noch mehr Probleme durch Geistes- und Laserblitze gelöst werden können.

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