Der Musiker Falco war so brillant und verkannt

»Junge Roemer«, Falcos zweites und bestes Album, wurde zum 40-jährigen Jubiläum neu aufgelegt

  • Jens Buchholz
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch optisch war Falco durchdrungen von seiner Verehrung für David Bowie.
Auch optisch war Falco durchdrungen von seiner Verehrung für David Bowie.

Das Zeitgeistmagazin »Wiener« fand Falcos Album »Junge Roemer«, als es im April 1984 endlich erschien, »schlichtweg sensationell«. Dieses Urteil hat bis heute Gültigkeit. Es ist sein bestes Album. Vergangene Woche erschien nun ein Reissue, das diesem Meisterwerk mehr als gerecht wird.

Bereits 1983 hatte die Arbeit an dem Album begonnen. Es sollte nicht einfach eine Kopie des bereits sehr guten ersten Albums »Einzelhaft« werden, das Falco noch sehr stark als Wiener Undergroundgewächs verortete. Diesmal sollte alles internationaler und edler werden. Falco, der bürgerlich Johann Hölzel hieß, arbeitete ein Konzept für das Album aus, das er mit »cool bis unterkühlt« überschrieb. Er ließ edle Schwarz-Weiß-Fotos von dem damals angesagten Fotografen Rudy Molacek schießen. Auf diesen Bildern ist nicht mehr der »Kommissar« zu sehen. Falco hat sich in einen akkurat frisierten Zwanzigerjahre-Beau verwandelt, der Anzüge des Modemachers Helmut Lang trägt. Die Designer Lo Breier und Michael Beran veredelten das Artwork mit einem goldgepressten Schriftzug und einer feinen Grafik.

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Die Kompositionen und Arrangements besorgte wieder der Produzent Robert Ponger. Für das Vorgängeralbum hatte er noch sehr rockige, gitarrenlastige Songs geliefert. Diesmal orientierte er sich an der durch Synthies geprägten Neuen Sachlichkeit der späten New Wave. Wenn Gitarren auftauchen, sind sie funkig und perkussiv. Jedes einzelne Instrument ist kristallklar zu hören. Über allem thront Falcos präziser, sauberer Gesang. Songs wie »Hoch wie nie«, »Steuermann« oder »Brillantin Brutal« gehören zum Besten, was Falco je produziert hat. Auf dem als Single ausgekoppelten Titelstück »Junge Roemer« singt die Band Opus mit, die 1985 mit »Live is Life« ihren größten Hit haben würden.

Das ganze Album ist durchdrungen von Falcos Verehrung für David Bowie. Schon der Titel »Junge Roemer« verweist auf Bowies »Young Americans«. Im Titelsong variiert Falco eine Textzeile aus Bowies Song »Fantastic Voyage«. Außerdem klingt bei dem Song von Ferne Bowies Hit »Let’s dance« im Arrangement durch.

Wie gründlich Falco über seine brillanten Texte für dieses Album nachgedacht hat, ist an den im Booklet der Neuauflage abgebildeten handschriftlichen Notizen zu erkennen. Für den collagenartigen Song »Tut-Ench-Amon (Tutankhamen)« entwarf Falco offenbar zunächst eine Geschichte, um die es gehen sollte, bevor er sich an den Text machte. Erläutert werden die Texte von Michael Rager, der das allwissende Falco-Online-Lexikon »Falco-Compendium« betreibt.

Die von Robert Ponger remasterten Original-Albumtracks werden ergänzt um sämtliche Remixe, die damals zum Album erschienen. Inklusive der Single »Kann es Liebe sein?«. Ein kurioses Duett mit Desiree Nosbusch, mit dem das Album im Sommer ’84 gerettet werden sollte.

Denn als das Album mit einer großen Partysause und der großen Fernsehshow »Helden von heute« veröffentlicht wurde, erwies es sich recht rasch als Flop. Die Single »Junge Roemer« erreichte mühsam die Top 10 in Österreich. Das Album kletterte zwar auf Platz 1 der Charts, aber verschwand auch schnell wieder daraus. Überall sonst auf der Welt wurde es ignoriert, in Westdeutschland kam es auf Platz 76. Als die Nachfolgesingles überhaupt nicht mehr die Charts erreichten, sollte »Kann es Liebe sein?« die Wende bringen. Aber in der Singleversion wirkt der Song wie ein verspäteter NDW-Schlager von mittelmäßigen Nena- und Markus-Imitatoren. Falco drohte sich zur Eintagsfliege zu entwickeln, die mit ihren künstlerischen Ambitionen gescheitert war. Später distanzierte er sich von dem Album, schob Ponger die Schuld zu, weil er angeblich schlechte Songs für seine großartigen Texte geliefert habe. Dass das nicht stimmte, war ihm sicher bewusst, denn »Junge Roemer« hatte stets einen festen Platz in seinem Live-Programm. Eine Kostprobe von live gespielten Roemer-Songs (aus dem Jahr 1986) enthält die Neuauflage des Albums ebenfalls.

Ein Kuriosum fehlt allerdings: Das im ursprünglichen Tracklisting genannte Instrumental »Zakadaca«, das in der Fernsehshow »Helden von heute« zu hören ist. Dieser Verlust ist aber verschmerzbar. Auch vierzig Jahre später behält der »Wiener« recht. Das Album ist schlicht sensationell.

Jens Buchholz ist Autor des kürzlich erschienen Buches: Falco. Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten. Klartext, 120 S., br., 16,95 €.

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