Bangladeschs Presse hat nichts zu lachen

Angriffe auf kritische Journalisten nehmen in dem asiatischen Land stark zu

  • Felix Lill
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Polizei in Bangladesch geht immer wieder gegen Journalisten vor.
Die Polizei in Bangladesch geht immer wieder gegen Journalisten vor.

Fragt man Syed Shukur Ali Shuvo nach dem Stand seiner Profession, erhält man zuerst den Eindruck, alles sei in Ordnung: »In unserem Land haben Journalisten keine ernsten Probleme«, sagt der Medienvertreter mit sichtlichem Stolz. »In unserem Land genießen wir Pressefreiheit.«

Wenn einer wie Shuvo so etwas sagt, lässt dies aufhorchen: Er ist Journalist bei der führenden Presseagentur BSS und Präsident der Dhaka Reporters Unity, einem der größten Journalistenverbände in der Hauptstadt von Bangladesch. Shuvo räumt ein, dass es in der Natur des Journalismus liege, wenn es auch mal Probleme gebe.

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Auf den ersten Blick scheint alles normal

Es gebe da verschiedene herausfordernde Themen. »Ich arbeite zur nationalen Sicherheit, ein heikles Feld. Außerdem ist es problematisch, wenn man jemanden persönlich angreift.« Dann werde sich diese Person wohl vor Gericht wehren. Beim ersten Hinhören mag es nach den üblichen Problemen klingen, mit denen Medienschaffende in einer liberalen Demokratie nun mal konfrontiert sind.

Wobei in den vergangenen Jahren immer mehr kritische Stimmen betont haben, dass Bangladesch den Standards einer liberalen Demokratie kaum noch entspreche: Im Vorfeld der Wahlen im Januar waren zahlreiche Oppositionelle und Medienschaffende verhaftet worden. Die stärkste Oppositionspartei, die Nationale Partei Bangladeschs oder BNP, boykottierte die Wahlen letztendlich.

Bangladesch ganz weit hinten bei Pressefreiheit

Die NGO Reporter ohne Grenzen mahnte in einer Pressemitteilung: »In den letzten Monaten haben sich die Angriffe auf Journalisten vervielfacht und ein Klima des Terrors gefördert, das dem herrschenden Regime zugutekommt: Einige wurden ermordet, andere inhaftiert und Dutzende Reporter während ihrer Berichterstattung misshandelt.« Im Ranking der Pressefreiheit landet das südasiatische Land auf Rang 163 von 180 Staaten – und damit in der untersten Kategorie mit dem Attribut: »sehr ernste Lage«. Kaum eine Demokratie steht so schlecht da.

Der Journalist Shuvo ist einer der Wenigen, der überhaupt bereit ist, etwas öffentlich zu dem Thema zu sagen. Aber auch er äußert sich nicht zu allem. Zu den Festnahmen zum Beispiel sagt er nichts. Wohl aber zu Fragen der Parteilichkeit, die in Bangladesch üblich sind: »Wenn ich zum Beispiel anfange, für deine Zeitung zu arbeiten, werde ich deinen Regeln folgen«, sagt er.

Einige Medienbesitzer und -vertreter halten eher zur Awami League, die seit 15 Jahren an der Regierung ist. Andere dagegen zur oppositionellen BNP. »Ein guter Kollege von mir ist für die BNP. Ich bin für Awami. Aber wir haben keinen Streit. Wir sind doch beide Journalisten«, sagt Shuvo.

Experten sehen besorgniserregenden Trend

Anderswo wird die Lage weniger entspannt beurteilt. Der Deutsche Leo Wigger zum Beispiel, der beim Berliner Thinktank Candid Foundation die Programme zu Südasien sowie Eurasien leitet und beim deutschen Fachmagazin »Zenith« im Redaktionsrat sitzt, beobachtet einen besorgniserregenden Trend: Aus der Zwei-Parteien-Demokratie ist ein De-facto-Einparteienstaat geworden.

Auf die Frage, was dies konkret bedeute, sagt Wigger: »Die Awami League von Sheikh Hasina hat das Land eben ganz fest unter Kontrolle. Bürgerliche Freiheiten und Grundrechte werden immer weiter eingeschränkt, wie unter anderem auch die Pressefreiheit.« Wie es dann kommt, dass Medienschaffende selbst die Lage anders bewerten?

Leo Wigger beobachtet eine Tendenz zur Selbstzensur. Zwar gebe es viele Medienschaffende, die »einen tollen, unabhängigen Job machen, obwohl die Bedingungen immer schwieriger werden«. Aber üblicher werde Schoßhundjournalismus.

Journalisten bleiben vorsichtig

Etwas Ähnliches sagt Yusuf Saadat vom unabhängigen Thinktank Centre for Policy Dialogue. Im 1971 gegründeten Staat sei die Idee der Pressefreiheit noch eher jung – durch Gesetze nun allerdings zusehends beschränkt. Zunächst gab es nur staatliche Medien. In den 1990er Jahren ging es mit privaten TV-Sendern los.

»Heute gibt es viele davon. Aber die Gesetze in Bangladesch verhindern, dass Nachrichten zum Beispiel die religiösen Gefühle der Menschen verletzen oder dem Image des Landes schaden könnten.« Und in so einem Umfeld seien Journalistinnen eher vorsichtig. Ein Problem: Das »Image des Landes« scheint in einem zusehends autoritären Staat oft gleichbedeutend mit der Regierung.

So bleibt zu hoffen, sagen mehrere Beobachtende, ohne damit zitiert werden zu wollen, dass sich die Lage nun, wo sich die Awami League erneut die Macht gesichert hat, wieder etwas entspannt. Damit man vielleicht auch mal die Regierung oder Justiz offen kritisieren kann.

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