Gegen die freudige Mobilmachung

Eingriffe ins »Gemetzel, das sich Normalität nennt«: Die Kunst des Günter Wangerin

  • Niko Daniel
  • Lesedauer: 2 Min.
So sieht sich Deutschland am liebsten: als verfolgte Unschuld, aber aggressiv.
So sieht sich Deutschland am liebsten: als verfolgte Unschuld, aber aggressiv.

Seit der von Bundeskanzler Scholz verkündeten »Zeitenwende« ist »Frieden« zum Schimpfwort geworden. Deutschland soll »kriegstüchtig« werden, die großen Medien artikulieren keinen Widerspruch und begeistern sich für das Militärische, denn alles andere sei unrealistisch. Verlangt werden bessere Waffen, teurere Waffen, vielleicht auch Bodentruppen, ist alles drin im großen Aufrüstungsprogramm, für das natürlich beim »Sozialklimbim«, wie die FDP gerne sagt, gestrichen werden muss. Das heißt dann, »Verantwortung übernehmen«. Als sollte der Krieg, der mit Russlands Überfall auf die Ukraine begann, nicht aufhören, sondern konstant weitergehen – bis Russland endgültig besiegt ist, der alte deutsche Traum.

Für den Münchner Künstler Günter Wangerin, geboren 1945, ist »keine einzige der reaktionären Maßnahmen auf staatlicher Ebene« denkbar ohne die Vorgeschichte des deutschen Faschismus und dessen Vertuschung und Verharmlosung. Er ist Maler, Grafiker und auch Aktionskünstler im öffentlichen Raum – die Kritik und Störung des Militärischen ist eine alte linke Tradition. 2015 trat er in München mit einer Gauck-Maske bei einem Fahnenappell für Offiziersanwärter auf und rief »Hab Acht!«. Feldjäger warfen ihn zu Boden. Vor Gericht sagte er, »Hab Acht« sei seine Aufforderung an die Soldaten gewesen, wachsam zu sein.

Wenn er einem Engel einen Stahlhelm aufsetzt, dann zeigt er, wie sich Deutschland am liebsten präsentiert: als verfolgte Unschuld, aber aggressiv. Wangerins Bildband »Kunst in Zeiten der Barbarei« ist ein Rückblick auf sein Werk, mit dem er sich einmischt – in ein »Gemetzel, das sich Normalität nennt«. Zwischen Aufklärung, Agitprop und politischer Performance beschäftigt er sich mit Flüchtlingspolitik. Rechtsradikalismus, NSU und Verfassungsschutz. Er will eine politische Kunst, die nicht darstellt, sondern eingreift. Am Donnerstag nach Pfingsten, dem 23. Mai, zeigt und diskutiert er seine Kunst im Berliner FMP 1.  nd

23.5., 19 Uhr, im nd-Salon im FMP 1, Franz-Mehring-Platz 1, Berlin.
Günter Wangerin: Kunst in Zeiten der Barbarei – Versuche, Verlag Das Freie Wort, 156 S., 235 Abb., 24,90 €.

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