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Wagenknecht-Parteitag in Sachsen: Corona-Ausschuss im Programm

Wagenknecht-Partei stellt sich für Landtagswahl am 1. September auf – Viele Ex-Linke auf der Liste

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Parteigründerin Sahra Wagenknecht und das sächsische BSW-Führungsduo Sabine Zimmermann und Jörg Scheibe (von rechts)
Parteigründerin Sahra Wagenknecht und das sächsische BSW-Führungsduo Sabine Zimmermann und Jörg Scheibe (von rechts)

Der Veranstaltungsort drängte zu maritimen Metaphern. In einer Werft in Dresden-Laubegast, in der sonst Dampfer der Weißen Flotte gewartet werden, hat Sachsens Landesverband des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) sein Programm und die Kandidatenliste für die Landtagswahl am 1. September beschlossen. In Reden hieß es, man lichte Anker, wünsche dem »Tanker« viel »frischen Wind in den Segeln« oder wolle die etablierte Politik »kielholen«. Damit wird eine früher angewendete drakonische Strafe für unbotsame Seeleute bezeichnet, die diese oft nicht überlebten.

Für Sachsens Wähler wird nach dem Parteitag klarer, welchen Kurs die neue Partei im Land segeln will. Diese verortet sich nach den Worten ihrer Landesvorsitzenden Sabine Zimmermann in der »Mitte des politischen Spektrums« und bediene dort eine »Schnittmenge, die keine andere Partei abdeckt«. Im 49-seitigen Wahlprogramm finden sich linke wie rechtskonservative Positionen. So wird die Gesundheitsversorgung als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge beschrieben, die nicht »gierigen Kapitalinvestoren« überlassen werden dürfe: »Das ist glasklare Verantwortung des Staates«, sagte Zimmermann. Auch Bildungsthemen spielen eine wichtige Rolle. Mehrere Redner sprachen sich gegen Handys und Tablets an Grundschulen aus. Auf der anderen Seite thematisiert das BSW eine, wie Zimmermann formulierte, »beunruhigend« hohe Kriminalität ausländischer Intensivtäter. »Eine Integration dieser Menschen ist nicht machbar«, sagte sie und forderte, »deutlicher auf das Schutzbedürfnis« der Bürger einzugehen. Das »Versagen« bei der Integration habe »Teile der Bevölkerung regelrecht in die Hände rechter Rattenfänger getrieben«. Im Wahlprogramm ist der entsprechende Punkt überschrieben mit »Unkontrollierte Migration stoppen«.

Wahljahr Ost

Das Wahljahr 2024 ist kein beliebiges. Schon lange nicht mehr war die Zukunft der Linken so ungewiss, noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik waren die politische Landschaft und die Wählerschaft so polarisiert, noch nie seit der NS-Zeit war eine rechtsextreme, in Teilen faschistische Partei so nah an der Macht. Wir schauen speziell auf Entwicklungen und Entscheidungen im Osten, die für ganz Deutschland von Bedeutung sind. Alle Texte unter dasnd.de/wahljahrost.

Einen eigenen Programmpunkt widmet die Partei der »Aufarbeitung der Corona-Zeit«. Dazu soll ein Untersuchungsausschuss eingesetzt werden. Wenn das BSW einen solchen »als erstes in einem Landtag durchsetzen« könnte, wäre das auch »ein Signal für den Bund«, sagte Parteigründerin Sahra Wagenknecht in Dresden. Es müsse aufgeklärt werden, wie während der Pandemie »in so großem Umfang willkürlich Grundrechte außer Kraft gesetzt werden konnten«, betonte sie und rügte, dass einstige »Einpeitscher« wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch im Amt seien. Der Chemnitzer Nico Rudolf, der die Urheberschaft für die Forderung nach einem U-Ausschuss für sich reklamierte, betonte, er habe »zu den 30 Prozent der Sachsen gehört, die ausgegrenzt und als Schwurbler bezeichnet« worden seien.

Rudolf war bis 2021 Mitglied der Linkspartei, gehörte deren Chemnitzer Stadtvorstand an und war in der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Frieden aktiv. Nun wurde er auf Platz 10 der BSW-Landesliste gesetzt und ist dort einer von acht Ex-Genossen unter den ersten 17 Bewerbern. Zu den weiteren gehören neben der mit 94 Prozent zur Spitzenkandidatin gewählten einstigen Bundestagsabgeordneten Zimmermann etwa der Pirnaer Ex-Landtagsabgeordnete Lutz Richter, die Riesaer Kommunalpolitikerin Uta Knebel, die frühere Landesgeschäftsführerin Janina Pfau und Bernd Rudolph, langjähriger Fraktionschef im Stadtrat Zwickau, die auf den Plätzen 5,6, 8 und 9 stehen.

Die zweite Gruppe neben den parlamentarisch erfahrenen Ex-Linken sind absolute Politikneulinge. Zimmermanns Ko-Vorsitzender Jörg Scheibe, der mit 92 Prozent auf Platz 2 der Liste gewählt wurde, führt ein Unternehmen und unterrichtet an der Studienakademie Glauchau. Auf Listenplatz 3 steht mit Doreen Voigt eine Mitarbeiterin eines Wohlfahrtsverbandes; es folgt mit Ronny Kupke der Personalratschef einer Krankenkasse. Auf den Plätzen 7 und 10 stehen der Lehrer Lars Wurzler und Ingolf Huhn, Intendant des Theaters Annaberg-Buchholz. Etliche Gewählte gaben an, durch den Krieg in der Ukraine in die Politik getrieben worden zu sein und sich dem BSW wegen dessen friedenspolitischer Positionen angeschlossen zu haben. Scheibe plädierte für einen Waffenstillstand und »Friedensverhandlungen ohne Vorbedingungen«. Der Dresdner Bau- und Immobilienunternehmer Ralf Böhme, der lange in Moskau gelebt hat und auf Platz 15 gewählt wurde, sprach von einem »Stellvertreterkrieg« und einer an die russische wie ukrainische Gesellschaft »von außen herangetragenen Entwicklung«.

Das BSW in Sachsen, einer von bisher erst vier Landesverbänden der im Januar gegründeten Partei und wegen der akribischen Prüfung von Mitgliedsanträgen durch den Bundesvorstand bisher weniger als 70 Mitglieder zählend, ist angesichts teils zweistelliger Umfragewerte zuversichtlich, nicht nur den Sprung in den Landtag zu schaffen, sondern womöglich auch in eine Koalition. Man strebe an, dass »unser guter Freistaat endlich besser regiert« werde, sagte Zimmermann. Wagenknecht betonte indes, man stehe »nicht für ein ›Weiter so‹ zur Verfügung«, sondern trete nur in eine Regierung ein, die »wirklich spürbare Veränderungen« durchsetze. Sie selbst strebe im Freistaat kein Regierungsamt an: »Wir haben hier sehr gute Leute.«

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