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Neues Fischsterben an der Oder

Dutzende tote Exemplare in einem Nebenarm des Flusses entdeckt

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Winterhafen, einem Nebenarm der Oder, sind seit Montag Dutzende tote Fische entdeckt worden. Für den Landtagsabgeordneten Thomas Domres (Linke) ist dies ein »Alarmzeichen«. Schließlich hatte der Fluss an der Grenze zu Polen im Sommer 2022 ein massenhaftes Fischsterben erlebt. Bis zu 1000 Tonnen sind seinerzeit eingesammelt worden. Der Anblick und der Geruch waren schwer erträglich. Von den Folgen dieser Umweltkatastrophe hat sich das Gewässersystem nicht erholt – und nun droht womöglich die nächste.

»Das Umweltministerium muss schnell und vor allem transparent handeln, damit die Menschen in der Oder-Region Klarheit haben«, verlangt Oppositionspolitiker Domres. »Welche Signale gibt es aus dem Vorwarnsystem entlang der Oder?«, fragt er. »Wie wird die Ausbreitung der Goldalgen in Nebengewässer verhindert? Wie wird die Beseitigung toter Fische organisiert, falls es wieder zu einem größeren Fischsterben kommt?« Entscheidend sei, den Salzgehalt zu reduzieren. Das könne nur auf der polnischen Seite geschehen. Dass dort Salz eingeleitet werde, sei ein offensichtlicher Verstoß gegen die Wasserrahmenrichtlinie der EU. Brandenburgs Landesregierung sollte deshalb rechtliche Schritte prüfen. »Trotz des Regierungswechsels in Polen gab es bisher keine sichbaren Fortschritte, weder bei den Salzeinleitungen noch beim Oderausbau«, urteilt Domres.

Ende 2023 musste die nationalistische PiS-Partei abtreten, die bis dahin in Warschau das Sagen hatte. Unter ihrem Kommando hatten sich die Beziehungen zur Bundesrepublik spürbar verschlechtert. Statt guter Kooperation gab es gegenseitige Vorwürfe, was sich beim Umgang mit dem Fischsterben als hinderlich erwies. Als es zuerst in Polen auftrat, wurden die deutschen Behörden nicht vorgewarnt.

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Seither hat sich nach Darstellung des brandenburgischen Umweltministeriums aber durchaus einiges geändert. Das Alarm- und Meldesystem sei optimiert worden. »Der Austausch von Daten und Informationen hat sich insgesamt seit der Oderkatastrophe 2022 und insbesondere unter der neuen polnischen Regierung deutlich verbessert«, versichert das Umweltministerim am Mittwochabend. Polen habe Ende Mai bei einer Konferenz in Wrocław versichert, alles Mögliche zu tun, um die Gefahr einer Blüte der giftigen Goldalgen zu verringern.

Ein hoher Saltzgehalt im Fluss hatte zusammen mit Hitze und niedrigem Wasserstand das Wachstum der Goldalgen befördert und so das Fischsterben ausgelöst. Das war bisher der Erklärungsversuch für die Katastrophe im Sommer 2022. Nun jedoch ist es gar nicht so heiß und der Wasserstand nicht so niedrig. Es hat geregnet. Aber der erwartete Verdünnungseffekt sei so nicht eingetreten, erläutert Frauke Zelt, Sprecherin von Umweltminister Axel Vogel (Grüne). »Trotz einer leichten Stabilisierung im Vergleich zum letzten Wochenende bleiben die Messwerte für elektrische Leitfähigkeit mit zirka 2000 Mikrosiemens pro Zentimeter sowie der Chlorophyllgehalt mit rund 250 Mikrogramm pro Liter sehr hoch.«

Da die Oder aber ordentlich fließt, seien die Auswirkungen bisher nicht mit denen vor zwei Jahren vergleichbar. Am Montag eingesetzte Wasserflöhe zeigten bisher nur geringe Anzeichen von Stress. »Dennoch kann keine Entwarung gegeben werden. Die ausgegebene Gefährdungsstufe drei bleibt bestehen.« Es ist die höchste von drei Stufen des 2022 eingeführten Warnsystems, die besagt, dass von einer Blüte der giftigen Goldalge ausgegangen werden müsse.

Die Goldalge hat sich mittlerweile im gesamten Flusslauf einschließlich der Nebengewässer etabliert. Schnecken und Muscheln, die Algen fressen, fehlen noch weitgehend. Denn auch sie sind vor zwei Jahren massenhaft verendet. Experte Christian Wolter vom Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei zeigte sich beunruhigt von der Ausbreitung der Goldalgen. Die Nachrichtenagentur dpa zitierte ihn mit den Worten: »Aber es ist schwierig zu sagen, wie sich das entwickelt.« Wolter zufolge sind tote Fische bisher nur in Nebenarmen und nicht im Hauptstrom entdeckt worden.

Polen ist dabei, den Grenzfluss für die Binnenschifffahrt auszubauen. Das wird von Umweltschützern als schädlich für das angeschlagene Ökosystem betrachtet. Der Landtagsabgeordnete Domres sieht es genauso: »Der weitere Ausbau der Oder würde die Lebensbedingungen für Fische im Fluss weiter verschlechtern und das Ökosystem anfälliger machen.«

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