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T-Shirts mit Aufdruck gehören unter der strengsten Strafe verboten

Einzelstück millionenfach zu verkaufen. Das ist die Logik des Kapitalismus
Einzelstück millionenfach zu verkaufen. Das ist die Logik des Kapitalismus

Der Kapitalismus zermürbt einen, früher oder später. Er findet immer einen Weg. Selbst während wir schlafen, fragt er sich unentwegt, wie er uns hintergehen und anschmieren kann, wie er uns für seine Zwecke instrumentalisieren kann, wie er die Dinge der Warenwelt hinter unserem Rücken schlechter und hässlicher machen kann: Er hat die sogenannte geplante Obsoleszenz erfunden. Er verringert heimlich, still und leise die Füllmengen von Cornflakesschachteln und Chipstüten. Oder er verkauft uns mit Lebensmittelfarbe, Wasser, künstlichen Aromastoffen und Geschmacksverstärkern versetztes gehärtetes Pflanzenfett als »Käse«. (Woraus genau besteht überhaupt die blassgelbe, gummiartige und schwach nach Umkleidekabine riechende Substanz auf manchen Backwaren, die offiziell als »Käse« bezeichnet wird (»mit Käse überbacken«)?)

Die wichtigste und bis heute unbeantwortet gebliebene Frage in diesem Kontext lautet: Warum werden in Kaufhäusern und Bekleidungsgeschäften fast nur noch Sweatshirts, Pullis und T-Shirts angeboten, auf denen entweder riesig der jeweilige Name des Herstellers prangt oder ein schwer erträglicher Dullispruch von der Stange? (I’M GREAT, LOVE AND PLAY, LIFE IS A JOURNEY, SUNSHINE & COFFEE, DREAM BIG)

Noch vor zwanzig, dreißig Jahren war es möglich, vereinzelt Kleidungsstücke zu erwerben, die man tragen konnte, ohne als Narr oder Reklametrottel wahrgenommen zu werden. Doch diese Ära endete unwiderruflich in dem Augenblick, als irgendein windiger Kleidungsdesigner zum ersten Mal auf die Idee verfiel, einen Pullover mit den Worten AUTHENTIC STREETWEAR bedrucken zu lassen.

Seither bin ich mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft nicht ganz und gar auf die Produktion und den Verkauf von mit Schriftzügen bedruckten Kleidungsstücken verzichtet werden sollte.

Die gute Kolumne

Thomas Blum ist grundsätzlich nicht einverstanden mit der herrschenden sogenannten Realität. Vorerst wird er sie nicht ändern können, aber er kann sie zurechtweisen, sie ermahnen oder ihr, wenn es nötig wird, auch mal eins überziehen. Damit das Schlechte den Rückzug antritt. Wir sind mit seinem Kampf gegen die Realität solidarisch. Daher erscheint fortan montags an dieser Stelle »Die gute Kolumne«. Nur die beste Qualität für die besten Leser*innen! Die gesammelten Texte sind zu finden unter: dasnd.de/diegute

Denn: Im ersten Fall (Marken- beziehungsweise Herstellername auf dem Pullover) macht man sich vollständig zum Horst, weil man unbezahlt für einen Konzern arbeitet, indem man freiwillig als eine Art atmende mobile Litfaßsäule umherläuft. (Viel schlimmer noch im Grunde: Man hat, als man, natürlich ebenfalls freiwillig, das betreffende Kleidungsstück zuvor käuflich erworben hat, dem Konzern sogar Geld dafür gegeben, dass man unentgeltlich für ihn als Werbemaskottchen unterwegs sein darf.)

Im zweiten Fall (Motivations- oder Glückskeksspruch oder vergleichbarer Deppenslogan auf dem Pullover) zeigt der Träger mit seinem Sweatshirt das derzeitige Verblödungsstadium an, in dem er sich gerade befindet. Man darf von der Faustregel ausgehen: Je intensiver der Pulliträger bei den Umstehenden den Eindruck zu erwecken sucht, er sei ein verhinderter Philosoph oder Weltweiser (CARPE DIEM, TIME NEVER STOPS, C’EST LA VIE, FREEDOM!, LIVE YOUR LIFE WITH LOVE) oder ein aus der Masse der Normaldummköpfe herausragender Individualist (BE YOURSELF, EXPRESS YOURSELF, BE THE ENERGY YOU WANT TO ATTRACT), desto weiter fortgeschritten dürfte bei ihm die geistige Totalverödung sein.

Bis hin zu jenen armen Würstchen, die, allem Anschein nach völlig schmerzbefreit, die permanente totale Affirmation des Bestehenden nicht nur als alternativlos betrachten, sondern via T-Shirt-Aufdruck diese Affirmation auch noch ihrem Gegenüber als eine Art Glaubensbekenntnis aufnötigen wollen (HAPPY!, KEEP SMILING, FUN VIBES, HAPPINESS, SPREAD THE JOY, ENJOY LIFE). Allen, die dem T-Shirt-Träger begegnen, soll das wohl heißen, sollen sich gefälligst dieser verordneten Fröhlichkeit, diesem modernen Spaß- und Freudefaschismus, der auch noch den letzten verborgensten Winkel dieser Gesellschaft erfassen soll, nicht weiter verweigern. Noch der vernageltste und unbelehrbarste Schwarzseher und Nörgelkopf soll – indem ihm der Slogan auf deinem neuen Kapuzenpullover ein stählernes Lächeln auf die Lippen zwingt – innerhalb weniger Sekunden von der Adorno-Lektüre entwöhnt werden. THINK POSITIVE. RADIATE POSITIVITY. HAVE A GOOD DAY.

Was treibt diese Leute nur an? Wer kauft absichtsvoll ein mit einem solchen Idiotenaufdruck versehenes Sweatshirt zum Preis von 50, 100 oder 150 Euro? Ich meine: Ich käme doch auch nicht auf die Idee, mir MORGENSTUND HAT GOLD IM MUND auf die Stirn tätowieren zu lassen.

Sicher ist jedenfalls: Spätestens wenn die textilienverarbeitenden Konzerne damit anfangen, HAVE A GOOD DAY oder ENJOY LIFE auch auf Hosen, Röcke, Jacken und Schals zu drucken, die von den Sweatshop-Sklaven in Bangladesch in 16-Stunden-Schichten im Akkord zusammengenäht werden, sollte man sich fragen, ob man die durchgescheuerte alte Jeans nicht doch noch ein weiteres halbes Jahr anzieht.

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