Fahrstuhl zum Bahnsteig

In Fürstenberg (Havel) wird um den barrierefreien Umbau des Bahnhofs gerungen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 6 Min.
Die alte Unterführung soll verschwinden, was für Bahnreisende die Wege erheblich verlängern würde.
Die alte Unterführung soll verschwinden, was für Bahnreisende die Wege erheblich verlängern würde.

Die Schulferien in Berlin und Brandenburg sind beendet, aber die Sommersaison läuft noch. Rappelvoll ist der Regionalexpress nach Rostock, mit dem Urlauber an die Ostsee fahren oder an die Mecklenburgische Seenplatte, auch an den Stechlinsee und andere Gewässer in Nordbrandenburg. Dazu kommen die Einheimischen, die zur Arbeit nach Berlin pendeln, und Besucher der KZ-Gedenkstätte Ravensbrück. Die Reisenden sitzen auf den Treppen der Doppelstockwaggons, stehen in den Gängen, quetschen sich irgendwie mit ihren Fahrrädern und Koffern noch irgendwo hinein. Immerhin müssen die in Fürstenberg (Havel) Aussteigenden nicht mehr noch mit ihrem schweren Gepäck treppab, treppauf durch die Unterführung. Der sogenannte Hausbahnsteig am historischen Bahnhofsgebäude wurde reaktiviert und die Züge Richtung Norden halten seit einigen Jahren nun wieder alle dort und nicht am Mittelbahnsteig. Beschwerlich ist das Ein- und Aussteigen bei den Zügen der Gegenrichtung, die bis auf zwei Verbindungen täglich nicht am Hausbahnsteig stoppen.

Nur bedingt besser wird es mit dem geplanten Umbau des Bahnhofs. Denn nach den bisherigen Vorstellungen der Deutschen Bahn (DB) soll der Hausbahnsteig wieder stillgelegt und der gesamte Verkehr zurück an den Mittelbahnsteig verlagert werden. Zudem soll die bisherige Unterführung um 50 Meter verlegt werden, was einen 100 Meter längeren Fußweg für die Reisenden bedeutet. 185 Meter mehr zu laufen hätten Rad- und Rollstuhlfahrer und alle anderen, die keine Treppen steigen können oder wollen.

Die örtliche Bürgerinitiative barrierefreier Bahnhof (BBB) unterbreitet zwei Gegenvorschläge, die sie am Montag um 16 Uhr vorstellt. 39 Interessierte finden sich dazu in einem kleinen Saal des historischen Bahnhofsgebäudes ein, das die DB privatisiert hat. Zu dem Termin eingeladen haben die Bundestagsabgeordneten Ariane Fäscher (SPD), Uwe Feiler (CDU), Stefan Gelbhaar (Grüne) und Anke Domscheit-Berg (Linke) sowie die Landtagsabgeordneten Andrea Johlige (Linke), Andreas Noack (SPD) und Carla Kniestedt (Grüne).

Da hier Politiker verschiedener Parteien an einem Strang ziehen, hat die Abgeordnete Domscheit-Berg kein Verständnis dafür, dass der DB-Konzernbevollmächtigte Alexander Kaczmarek seine Teilnahme kurzfristig mit der Begründung abgesagt habe, so kurz vor der Landtagswahl am 22. September politische Neutralität wahren zu wollen. Domscheit-Berg kritisiert, die Bahn verstoße gegen ihre eigene Richtlinie für Personenbahnhöfe, in der es heiße: »Die Länge der hindernisfreien Wege muss der kürzesten praktisch umsetzbaren Entfernung entsprechen.«

Ein Bürger schimpft: »Herr Kaczmarek taucht ab, und wenn wir unter uns wären, würde ich sagen: Er verarscht uns.« Die Abgeordnete Kniestedt gibt zu, innerlich sei sie des Kampfes langsam müde. »Was sollen wir denn noch tun? Uns auf die Gleise legen?«

Der Abgeordnete Gelbhaar stellt sich an die Seite der Einwohner von Fürstenberg (Havel), wirbt bei ihnen aber auch um Verständnis für die DB. Viele Jahre sei zu wenig ins Streckennetz investiert worden. Nun solle das schnell aufgeholt werden. Nächstes Jahr stelle der Bund mehr Geld für die Bahn zur Verfügung als jemals zuvor. Die vielen notwendigen Planungen müssten nun so schnell als möglich bewältigt werden. Sobald der Denkmalschutz Einspruch erhebt, würden beauftragte Ingenieure die Pläne schnell anpassen, um zügig durchzukommen mit den einzelnen Projekten. Er selbst sei Jahrgang 1976, erzählt Gelbhaar. Er habe er keine Probleme, ein Stückchen länger zu laufen und Treppen zu steigen. Aber: »Die Bahn ist nicht nur für Stefan Gelbhaar da.«

»Als wir 2023 von den Plänen erfuhren, waren wir entstetzt«, berichtet Bernhardt Hoffmann von der Bürgerinitiative. Er stellt die zwei von der Initiative unterbreiteten Varianten vor. Die eine sieht eine Rampe mit einem Gefälle von sechs Prozent von der auf den Bahnhof zulaufenden Straße vor und einen Ausgang zum westlich gelegenen Röblinsee. Als der Bahnhof 1877 eröffnet wurde, gab es dort noch nichts und damit keinen Bedarf für einen zusätzlichen Ausgang. Inzwischen stünden dort aber 100 Häuser und es gebe eine Festwiese sowie eine Badestelle. Weil es für die zweite Rampe zum Mittelbahnsteig eng wird, soll diese ein Gefälle von zehn Prozent haben. Das verstieße dann zwar gegen die Vorschriften zur Barrierefreiheit. Doch wünscht sich die Bürgerinitiative zusätzlich einen Aufzug, der bisher nicht vorgesehen ist, um den Vorschriften Genüge zu tun. Die steile Rampe wäre dann eine zusätzliche Erleichterung, wenn viele Radfahrer auf einmal ankommen und sich am Aufzug stauen.

Ein Experte vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) erklärt der Bürgerinitiative allerdings die Hindernisse. Aufzüge würden insbesondere in ländlichen Regionen oft durch Vandalismus beschädigt. Rampen seien deshalb das Mittel der Wahl. Wer etwas wolle, was mehr Geld koste, müsse sich Gedanken über die Finanzierung machen. Denn die zur Verfügung stehenden Mittel seien bei den vielen Baustellen endlich. Der VBB habe die DB gebeten, die technische Machbarkeit anderer Varianten zu prüfen. Die Bezahlbarkeit wäre dann aber gleich die nächste Frage.

Was Extrawünsche der Bürgerinitiative betrifft, so lässt sich zurzeit der Mehraufwand nicht beziffern. Es liegt jedoch auf der Hand, dass die zweite Variante der Bürgerinitiative den Umbau verteuern würde. Denn sie sieht vor, die Gleise zwischen Haus- und Mittelbahnsteig zu entfernen, sodass der Mittelbahnsteig künftig auf ebener Erde zu erreichen wäre. Zusätzlich wäre dann hinter den Gleisen ein neuer Westbahnsteig für die Züge Richtung Süden zu errichten.

»Wir werden heute nicht zu Lösungen kommen«, hat die SPD-Abgeordnete Fäscher gleich zur Begrüßung gesagt. Politik sei ein zähes Ringen und man müsse Kompromisse machen. Aber man wolle gemeinsam überlegen, was getan werden könne – und zwar noch bevor durch ein Planfeststellungsverfahren Fakten geschaffen werden. Zum Schluss verständigt sich die Runde, eine Delegation aus Politikern, Verkehrsverbund und Bürgerinitiative zu schicken, falls man einen Termin beim Konzernbevollmächtigten Kaczmarek bekomme. Andernfalls solle ein Brief an dessen Vorgesetzte geschrieben werden. Auch die Stadtverordneten sollen handeln und den Weg für eine andere Variante frei machen. Erste Gelegenheit dazu: die Sitzung des Bauausschusses am Donnerstag.

Eine Dienstagvormittag an die Deutsche Bahn gerichtete nd-Anfrage konnte diese so kurzfristig bis Redaktionsschluss nicht beantworteten. Auch in solcherlei Hinsicht ist das Verkehrsunternehmen derzeit stark beansprucht.

»Als wir 2023 von den Plänen erfuhren, waren wir entsetzt.«

Bernhardt Hoffmann Bürgerinitiative BBB
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