Georgien: Frieden vor Europa

Bei der Wahl in Georgien ging es mehr um Sicherheit als den Kurs des Landes

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 5 Min.
Schockplakate auf georgisch: Mit Bildern der zerstörten Ukraine hat die Regierungspartei Georgischer Traum für ihren Kurs geworben.
Schockplakate auf georgisch: Mit Bildern der zerstörten Ukraine hat die Regierungspartei Georgischer Traum für ihren Kurs geworben.

Die Reaktion von Salome Surabischwili war schnell und erwartbar. Schon kurz nach Bekanntwerden der ersten Auszählungsergebnisse bezeichnete Georgiens Präsidentin die Parlamentswahl als gefälscht und verweigerte der Abstimmung ihre Anerkennung.

Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission erreichte die als »russlandfreundlich« geltende Regierungspartei Georgischer Traum bei der Parlamentswahl am 26. Oktober mit 54 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Die »proeuropäischen« Oppositionsparteien Koalition für den Wandel, Einheit – Nationale Bewegung, Starkes Georgien und Gacharija – Für Georgien erhielten zwischen acht und elf Prozent der Stimmen. Aus Sicht der Opposition eine Farce. Wie schon die Präsidentin will auch sie die Zahlen nicht anerkennen. Sie forderte eine Neuauszählung und hat sich selbst zur Wahlsiegerin erklärt.

Georgischer Traum trotz Manipulationsvorwürfen zum Sieger erklärt

Schon früh am Wahltag erhoben Beobachter Vorwürfe der Manipulation, ohne jedoch konkrete Fälle zu benennen. Auch das Ergebnis des Georgischen Traums, dem lediglich 40 bis 42 Prozent vorausgesagt wurden, ließen Zweifel an der offiziellen Zählung aufkommen. Später tauchten Videos auf, die den massenhaften Einwurf von Wahlzetteln in eine Urne zeigen. Verantwortlich dafür war ein Abgeordneter des Georgischen Traums, wie die Partei am Freitag zugeben musste. Nicht ohne die Opposition dafür verantwortlich zu machen, die mit Intrigen angeblich derart Druck ausgeübt habe, dass sich der Parlamentarier dazu genötigt sah, behauptete die Regierungspartei.

Die geforderte Neuauszählung erhielt die Opposition, wenn auch nicht wie gefordert von westlichen Partnern, sondern von der Wahlkommission selbst. Doch am Ende bestätigte die Kommission das Ergebnis.

Proteste haben nur wenig Zulauf

Die Opposition gibt sich damit nicht zufrieden. Schließlich hatte sie den Urnengang – wie die Regierung auch – zur Schicksalswahl erklärt, zur Wahl zwischen einer europäischen und einer russischen Zukunft der Südkaukasusrepublik.

Die erhoffte Mobilisierung schaffte sie mit der Dramatisierung nicht. Zogen vor der Wahl noch nach Oppositionsangaben noch 100 000 Menschen durch Tbilisi, folgten dem Protestaufruf Surabischwilis nur wenige Tausend. Deren zurückhaltende Veranstaltung, die nach kurzer Zeit geordnet zu Ende ging, erntete von Linken viel Kritik. Von einer wütenden Straße war keine Spur. Auch ein Studentenmarsch zum Parlament erreichte nicht viel mehr als Seminargröße.

Opposition setzt auf das falsche Thema

Die Opposition in Georgien hat sich selbst geschlagen, auch wenn sie das nicht eingestehen wird. Statt den Menschen eine Alternative zum Georgischen Traum zu bieten und relevante inhaltliche Schwerpunkte zu setzen, hat sie alles auf die Karte Europa gesetzt und von ihrer eigenen Schwäche, etwa einen gemeinsamen Block zu stellen, abgelenkt. Bei Journalisten und Politikern in Europa mag diese Strategie aufgegangen sein, bei vielen Georgiern hingegen nicht. Europa ist vor allem die Sache einer kleinen urbanen Elite, die Fläche hat hingegen andere Sorgen.

Bei der Parlamentswahl ging es nie um die Frage, ob Europa oder Russland. Es ging um Krieg und Frieden. Offiziell bekennt sich auch der Georgische Traum zur europäischen Integration des Landes. Auch wenn Brüssel die Beitrittsgespräche nach der Verabschiedung des »Ausländischer-Einfluss-Gesetzes« auf Eis gelegt hat. »Europa war immer die natürliche Wahl Geogiens und der Georgier«, sagte Premierminister Irakli Kobachidse kurz vor der Wahl in einem »Euronews«-Interview. Laut Umfragen sehen das auch zwischen 70 und 90 Prozent der Georgier so. Viele davon haben den Georgischen Traum gewählt.

Regierung präsentiert sich als Garant für Frieden

Die Regierungspartei hat es erfolgreich geschafft, sich als Friedensgarant für das Land zu präsentieren. Mit geschmacklosen Plakaten, die zerstörte ukrainische Orte zeigte, sorgte sie im Wahlkampf für Aufsehen und Empörung. Die Message war klar. Das kleine Land ist gut beraten, sich mit dem Nachbarn Russland gut zu stellen, will es nicht ein ähnliches Schicksal erleiden. Über Europa könne man wieder reden, wenn der Krieg in der Ukraine vorbei ist. Dass die Wirtschaft in den vergangenen drei Jahren im zweistelligen Prozentbereich wuchs, während sich viele europäische Länder schwertun, war weitere Werbung für den Regierungskurs.

Georgiens Opposition hat die Wahl objektiv nicht nur wegen des falschen Themas verloren. Sie war vielerorts schlicht nicht präsent. In vielen kleinen Orten waren ihre Vertreter nicht zu finden. Von daher ist ihr schlechtes Abschneiden nicht verwunderlich, eher schon, dass man überhaupt genügend Stimmen sammeln konnte, fasst der Historiker Bake Kobachidze auf dem Portal »Jam News« zusammen.

Opposition schwach und zerstritten

Auch die schwache Reaktion nach der Wahl zeugt von der Zerstrittenheit der Opposition. Gemeinsame Protestaufrufe gibt es nicht, jeder kocht sein eigenes Süppchen. Der Plan, sich mit Präsidentin Surabischwili zusammenzuschließen, um gegen den Georgischen Traum zu agieren, kommt zu spät und ist viel zu schwach. Wollte man sich eigentlich zusammenschließen, um die umstrittenen Gesetze wieder abzuschaffen, muss man hilflos zusehen, wie die Regierung weitermachen kann. Da helfen auch Surabischwilis Vetos nicht.

Für die Opposition bleibt nur die Hoffnung, im kommenden Jahr ihre Fehler nicht zu wiederholen. Dann wird in den Städten und Gemeinden gewählt.

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