Ein »Bulldozer« für die Verteidigung Israels

Opposition in Israel verurteilt die Entlassung von Verteidigungsminister Joaw Galant

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Israels Verteidigungsminister Joaw Galant (vorn) inspiziert in Kriegsmontur Truppen im Raum Rafah im Süden des Gazastreifens.
Israels Verteidigungsminister Joaw Galant (vorn) inspiziert in Kriegsmontur Truppen im Raum Rafah im Süden des Gazastreifens.

Nach der Entlassung des israelischen Verteidigungsministers Joaw Galant revoltiert die israelische Opposition: Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz haben die vier wichtigsten Oppositionspolitiker, Jair Lapid, Benny Gantz, Jair Golan und Avigdor Lieberman, Netanjahu vorgeworfen, seine eigenen politischen Interessen über die des Landes zu stellen.

»Er hatte die Wahl zwischen Schande und Krieg, und er hat sich für die Schande entschieden«, empörte sich der frühere Regierungschef Lapid angesichts des Mehrfrontenkriegs, darunter im Gazastreifen, im Westjordanland, im Libanon und seitens des Iran. »Unsere Soldaten können ihm nicht trauen. Die Bürger Israels können ihm nicht trauen.« Netanjahu habe Galant entlassen, um die umstrittene Freistellung strengreligiöser Männer vom Wehrdienst durchsetzen zu können und damit den Erhalt seiner Koalition zu sichern.

Landesweite Proteste gegen Galants Entlassung

In der Nacht zu Mittwoch waren landesweit Tausende auf die Straßen geeilt und hatten gegen die Entlassung des Verteidigungsministers durch Regierungschef Benjamin Netanjahu protestiert. In Tel Aviv skandierten die Demonstranten gegen Netanjahu und seine Regierung gerichtete Slogans und schwenkten Israel-Flaggen. Viele trugen Schilder mit Aufschriften wie »Wir verdienen bessere Führer« und »Wir lassen niemanden zurück«. Einige blockierten auch stundenlang die wichtigste Stadtautobahn, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten. Bei Protesten in Jerusalem und Haifa wurden Medienberichten zufolge mindestens fünf Menschen festgenommen.

Die Protestierenden kritisierten Netanjahus Entscheidung vor allem deswegen, weil sie in Galant den Garanten für einen Deal mit der Hamas sahen. Galant hätte ein Abkommen mit der Hamas ausgehandelt, so die Überzeugung, zwar unter großen Zugeständnissen, aber die Geiseln wären im Austausch gegen palästinensische Gefangene freigekommen und der Mehrfrontenkrieg hätte bald ein Ende finden können.

Staatspräsident ruft zur Geschlossenheit auf

Netanjahu selbst sprach von einem zerrütteten Vertrauensverhältnis, das zum Bruch geführt habe: »Obwohl in den ersten Monaten des Krieges Vertrauen herrschte und die Arbeit sehr fruchtbar war, ist dieses Vertrauen zwischen mir und dem Verteidigungsminister in den vergangenen Monaten leider zerbrochen.«

Angesichts der innenpolitischen Spannungen fühlte sich Staatspräsident Jitzchak Herzog genötigt, mit einem Aufruf zur Geschlossenheit an die Öffentlichkeit zu treten. »Das Letzte, was der Staat Israel jetzt braucht, ist ein Umsturz und ein Bruch mitten im Krieg«, erklärte er am Dienstagabend. Die Sicherheit des Landes »muss über allen Überlegungen stehen«. Und weiter: »Wir befinden uns in einer der schwierigsten und herausforderndsten Zeiten, die wir je erlebt haben. Israels Feinde warten nur auf ein Zeichen von Schwäche, Zerfall oder Spaltung.« Das soll wohl heißen: Im Krieg müssen alle Israelis zusammenstehen, über politische Differenzen hinweg. Was zähle, sei allein der Sieg.

»Israels Feinde warten nur auf ein Zeichen von Schwäche, Zerfall oder Spaltung.«

Jitzchak Herzog Israelischer Staatspräsident

Joaw Galant, der frühere General, Marinekommandeur und langjährige Militärberater des früheren Regierungschefs Ariel Scharon, hat die Kriegsführung gegen die Hamas entscheidend mitgeprägt. Er geriet aber zuletzt wegen Unstimmigkeiten über das weitere Vorgehen immer wieder mit Netanjahu aneinander. Aus seiner Sicht hätte sich Israel schon weitaus früher stärker auf die nördliche Grenze zum Libanon konzentrieren sollen. Außerdem hatte er indirekt kritisiert, dass Netanjahu keinen Plan für ein Nachkriegsszenario hat.

Nach der Ankündigung seiner Entlassung erklärte Galant: »Die Sicherheit des Staates Israels war stets die Mission meines Lebens und wird dies auch immer bleiben.« Galant forderte die Regierung zudem auf, die im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln lebendig nach Hause zu bringen, aber dies erfordere schmerzhafte Kompromisse.

Nachfolger ohne militärische Erfahrung

Galants Entlassung tritt am Donnerstagabend offiziell in Kraft. Er wird von Israel Katz abgelöst, der vorher Außenminister war. Dessen Posten übernimmt wiederum Gideon Saar, bislang Minister ohne Geschäftsbereich. Die israelischen Medien nennen Katz »Bulldozer« wegen seiner oft aggressiven Art. Der 69-Jährige griff ausländische Politiker und internationale Organisationen scharf an, wenn sie es wagten, Israels militärisches Vorgehen im Gazastreifen zu kritisieren. Für Empörung sorgte er auch, als er im Oktober UN-Generalsekretär António Guterres zur unerwünschten Person in Israel erklärte. Er werde ihm die Einreise ins Land verbieten, schrieb Katz auf X.

Katz bringt für seine neue Aufgabe als Verteidigungsminister keinerlei militärische Erfahrung mit – aber mit der Arbeit im Kabinett kennt Katz sich aus. Der Likud-Politiker gehörte bereits verschiedenen Regierungen an. Seit seinem Einzug 1998 in das israelische Parlament zählt er zu den wichtigsten Politikern der Netanjahu-Partei. Mit Agenturen

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.