Politische Bildung für NPDler

»Völlig naiv«: Landeszentrale in Sachsen-Anhalt sorgt für Skandal

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Landeszentrale für politische Bildung in Sachsen-Anhalt steht unter Druck: Sie hat »Lustreisen« bezahlt – und NPD-Funktionäre zu Seminaren über Rechtsextremismus eingeladen.

Am 27. September fand in Merseburg ein gut besuchtes Seminar statt. Unter dem Titel »Vom Mythos Kameradschaft bis zu rechtsextremen Lebenswelten auf dem Land« wollte die Landeszentrale für politische Bildung Kommunalpolitiker über den Rechtsextremismus aufklären – sinnvoll angesichts der Tatsache, dass in den neuen Kreistagen 13 NPD-Abgeordnete sitzen. Allerdings kam es zu einem bösen Lapsus: Ebendiese NPD-Politiker wurden ebenfalls eingeladen und nahmen die Offerte, geführt von der Landesvorsitzenden Carola Holz, dankend an.

Teilnehmer beklagten sich schon nach der Veranstaltung; jetzt sorgt der Vorfall auch im Kuratorium für Wirbel. Dessen Mitglied Matthias Höhn, Landeschef der LINKEN, nennt die Einbeziehung von Rechtsextremen in politische Bildungsveranstaltungen »inakzeptabel«, SPD-Fraktionschefin Katrin Budde spricht von einem »Skandal«. Allerdings sind sich die Parteien nicht einig: In der »Mitteldeutschen Zeitung« nennt Staatskanzleichef Rainer Robra (CDU) den Vorgang »unvermeidlich«.

Robra bezieht sich dabei auf Darstellungen der Landeszentrale, wonach die Einladungen in den Kreisverwaltungen weitergereicht wurden – auch an die NPD. Der Einrichtungen wird aber vorgeworfen, nicht direkt eingeladen und die NPD ausgelassen zu haben. Zudem sei kein Versuch unternommen worden, deren Teilnahme zu verhindern, obwohl der Verein »Miteinander« den Chef der Landeszentrale Bernd Lüdkemeier per Brief rechtzeitig warnte. Antwort gab es nicht. Kritiker nennen das Verhalten »völlig naiv«. DGB-Landeschef Udo Gebhardt mahnte, den Rechtsextremen »aus dem Geist unserer demokratischen Verfassung heraus« jede Zusammenarbeit zu verweigern. Bei der SPD heißt es, die Einladung an die NPD unterstütze deren Strategie, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen: »Das darf man nicht.« Die LINKE fordert, die Landeszentrale von der Koordinierung des Landes-Netzwerks für Demokratie und Toleranz zu entbinden.

Die Landeszentrale steht ohnehin in der Kritik. Ein Bericht des Rechnungshofes legte offen, dass 2005 eine Fahrt der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) mit 11 000 Euro bezuschusst wurde – mit Zustimmung Lüdkemeiers, der CDU-Mitglied ist; die 28 Teilnehmer zahlten für das stark touristisch angelegte Programm noch 230 Euro zu. Üblich sind Zuschüsse von maximal 1600 Euro.

Generell sei die Mittelvergabe bei der Landeszentrale »unausgewogen«, sagt Höhn: Bei zwei Drittel der Veranstaltungen, die zusammen mit Parteistiftungen organisiert wurden, heiße der Partner KAS. Die Zentrale ist laut ihrer Internetseite aber zu »parteipolitischer Ausgewohenheit« verpflichtet – und zur politischen Bildungsarbeit. Höhn kritisiert in diesem Zusammenhang auch ein 7500 Euro teures Seminar 2004 in Magdeburg – zum Thema Fußball.

Die LINKE fordert nun personelle Konsequenzen: Lüdkemeier, der seit 1992 amtiert, sei »nicht länger tragbar«. Die CDU lehnt das aber unter Verweis auf die »gute Arbeit der vergangenen Jahre« ab.


Rückzug per Lex Tiedge

Erst einstimmig gewählt, jetzt zum Rückzug gezwungen: Mit einer Gesetzesänderung will die CDU/SPD-Koalition in Sachsen-Anhalt die Linksabgeordnete Gudrun Tiedge aus dem Beirat der Gedenkstättenstiftung entfernen. Diese wird von DDR-Opferverbänden wegen ihrer Vergangenheit als Staatsanwältin und IM abgelehnt. CDU, SPD und FDP suchten deshalb nach Wegen, ihre frühere Zustimmung zu revidieren. Das Gesetz, mit dem alle Abgeordneten aus dem Gremium abberufen würden, soll nächste Woche in den Landtag kommen. Die LINKE nennt das Vorgehen »heuchlerisch«. hla

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