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Katastrophenschutz in Berlin: Der Panzer kann nicht alles
Katastrophenschutz benötigt Ehrenamtliche sowie rechtliche und soziale Absicherung
Der große Stromausfall in Spanien und Portugal, extreme Hitzewellen oder auch Cyberangriffe auf Verwaltungen und Krankenhäuser machen den Katastrophenschutz immer relevanter. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) ist eine der Hilfsorganisationen, die sich diesem annimmt.
»In Deutschland ist der Katastrophenschutz zu 99 Prozent ehrenamtlich«, erklärt Rainer Frohloff, Ehrenamtskoordinator beim ASB im Gespräch mit »nd«. Zurzeit baue der ASB seinen Katastrophenschutz aus und suche nach neuen Mitgliedern, so Frohloff. »Ich erhalte jede Woche Anfragen von Leuten, die sagen: ›Ich habe keinen medizinischen Hintergrund, kann ich trotzdem helfen?‹« Der Ehrenamtskoordinator antworte dann immer: »Können Sie Kartoffeln schälen? Können Sie telefonieren? Wenn ja, dann können Sie uns helfen.«
Extreme Hitzetage sind eines der Szenarien, auf die sich der ASB vorbereitet. Zwischen 2018 und 2023 gab es in der Hauptstadt 1382 Hitzetote. Um der Hitzebelastung entgegenzuwirken, gibt es sogenannte Kühlungsorte, die der ASB gemeinsam mit dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf betreibt. Ziel sei es, zum Beispiel in Kirchen Hilfesuchende zu betreuen und zu versorgen, so Frohloff.
Auch Stromausfälle passieren nicht nur in Spanien. 2019 hatten 60 000 Menschen in Köpenick für 31 Stunden keinen Strom. Im September 2024 präsentierte Innensenatorin Iris Spranger die sogenannten Katastrophenschutz-Leuchttürme, die im Fall eines Stromausfalls Anlaufstellen für Bürger*innen sein sollen. Laut Angaben des Hauptstadtportals plant man in den Bezirken 37 behördlich betriebene Katastrophenschutz-Leuchttürme und 147 ehrenamtlich besetzte Katastrophenschutz-Informationspunkte.
Der ASB hat bereits mit dem Bezirk Charlottenburg eine Übung an so einem Leuchttrum gemacht. Das Fazit: »Es lief ganz gut, aber man hat bemerkt, dass es in der Aufbauphase war«, berichtet Amon Lindner im Gespräch mit »nd«. Lindner arbeitet beruflich als Rettungssanitäter und leitet beim ASB im Katastrophenschutz eine Betreuungsgruppe.
»Können Sie Kartoffeln schälen? Können Sie telefonieren? Wenn ja, dann können Sie uns helfen.«
Rainer Frohloff Ehrenamtskoordinator Arbeiter-Samariter-Bund
Ein Problem beim ASB ist laut Lindner die Finanzierung: »Die Mittel sind knapp, besonders da die Feuerwehr, von der wir Gelder erhalten, selbst Kürzung erfährt.« Das habe zur Folge, dass bestimmte Einheiten nur auf dem Papier existierten und manche Fahrzeuge 30 Jahre alt seien. Frohloff und Lindner hoffen, dass durch das Aussetzen der Schuldenbremse nicht nur in die Verteidigung, sondern auch in den Katastrophenschutz investiert wird. »Wir sind zwei Teile, die sich brauchen. Der Panzer kann nicht alles«, so Lindner. So sei der ASB in der Lage, Unterkünfte für 500 Menschen aufzubauen und selbst zu betreiben – ohne externe Wasser- oder Stromzufuhr.
Ein weiteres Problem sei, dass die Leistung der Ehrenamtlichen nicht genügend anerkannt werde, so Lindner. So können Ehrenamtliche in einem Katastrophenfall nicht einfach ihren Arbeitsplatz verlassen. Dafür müsse erst der Katastrophenfall vom Land ausgerufen werden. Außerdem werden sie im Gegensatz zur Feuerwehr und zum Technischen Hilfswerk durch ihre Tätigkeit im Katastrophenschutz nicht sozial abgesichert und finanziell entschädigt.
In einer Pressemitteilung aus dem September 2024 forderte der ASB zusammen mit dem Deutschen Roten Kreuz, Johannitern, Maltesern und DLRG einen besseren Bevölkerungsschutz. Zu den Forderungen gehören ein einheitliches Krisenmanagement, eine Investition von 0,5 Prozent des Bundeshaushalts in den Bevölkerungsschutz und das Stärken und Fördern des Ehrenamts, zum Beispiel durch das Sozialversicherungsrecht.
Auf die Nachfrage, warum der Katastrophenschutz ausgebaut werde, sagt Frohloff: »Die Welt verändert sich, und dadurch werden manche Szenarien absolut möglich. Wenn wir es nicht brauchen, dann freuen wir uns.«
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