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Umweltminister unter Beschuss
Die Tötung einer Wölfin in Mecklenburg-Vorpommern hat ein Nachspiel für Till Backhaus
Mecklenburg-Vorpommerns Minister für Landwirtschaft und Klimaschutz, Till Backhaus (SPD), ist zugleich Abgeordneter des Landtages und genießt die Immunität, die Parlamentarier vor Strafverfolgung schützt. Doch dieses Privileg hat der Landtag jetzt aufgehoben, weil sich der Politiker wegen der Tötung einer Wölfin vor der Justiz verantworten muss. Er hatte dem Abschuss des Tieres zugestimmt und damit nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gegen die strengen Schutzbestimmungen für Wölfe verstoßen.
Die strittige Sache liegt bereits geraume Zeit zurück: Im März 2020 hatte der Landkreis Rostock auf Antrag des Backhaus-Ministeriums den Abschuss einer Wolfsfähe genehmigt. Das Tier hatte sich offenbar laut Zeugenaussagen wiederholt einem Hofhund genähert und sich wohl auch mit diesem gepaart. Es habe deshalb die Möglichkeit des Entstehens von Wolfs-Hund-Mischlingen bestanden, sogenannter Wolfshybriden. Solch eine Hybridisierung stelle eine Gefahr für die Wolfspopulation dar, hatte Till Backhaus damals sein Ja zum Abschuss gerechtfertigt.
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Die Wölfin war daraufhin im April 2020 abgeschossen worden. Zuvor sei versucht worden, die Fähe mit einer Kastenfalle zu fangen oder ihrer mit dem Einsatz eines Betäubungsgewehres habhaft zu werden, berichtete der Minister seinerzeit. Beides sei erfolglos geblieben.
Zur Frage, ob von Wolfshybriden tatsächlich eine Gefahr ausgeht, meint die Umweltschutzorganisation World Wide Fund For Nature (WWF): Bedenklich seien solche Mischlinge aus Artenschutzsicht. »Denn Wolfshybriden verwässern die Genetik der Wolfspopulation und können langfristig zum Verschwinden der Art führen«, warnen die Naturexperten. Für den Menschen hingegen sieht der WWF – anders als oft behauptet – keine größere Gefahr: »Tatsächlich gibt es aber keine wissenschaftlichen Beweise für die These, dass Wolfshybriden für Menschen besonders gefährlich seien«, heißt es auf der Internetseite des WWF.
Bei der Obduktion des 2020 getöteten Tieres hatte sich herausgestellt, dass die Wölfin nicht trächtig war. Doch zu Lebzeiten hatte wegen des beobachteten Geschehens aus Artenschutzsicht eine Gefahr für die Wolfspopulation bestanden, hatte Backhaus herausgestellt. Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, Anklage wegen der Abschussgenehmigung zu erheben, sei für ihn nicht nachvollziehbar.
Die Strafverfolgungsbehörde wirft dem Minister und mehreren seiner Mitarbeitenden vor, dass diese rechtswidrig beim Landkreis darauf hingewirkt hätten, die Tötung der Wölfin freizugeben. Dadurch sei gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen worden. Backhaus weist das zurück: Die Vorwürfe seien nicht zutreffend. Vielmehr hätten die Beteiligten im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben rechtmäßig gehandelt, »um die Gefahr einer Hybridisierung abzuwenden«.
Bei der Obduktion des 2020 getöteten Tieres hatte sich herausgestellt, dass die Wölfin nicht trächtig war.
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Ein Verwaltungsgericht hatte den Abschuss bereits als zulässig erklärt, gegensätzlicher Ansicht war jedoch das Oberverwaltungsgericht in Greifswald. Aufgrund dessen wurde die Staatsanwaltschaft aktiv. Ihrer Ansicht nach ist zwar der Abschuss von Wolfshybriden gestattet, nicht aber die vorsorgliche Tötung einer mutmaßlich trächtigen Wölfin. Die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Abschusserlaubnis ist mittlerweile Gegenstand eines Revisionsverfahrens beim Bundesverwaltungsgericht.
Nach wie vor ist der Wolfsschutz ein strittiges Thema – vor allem zwischen Naturschützern und Nutztierhaltern. Aktuell ist dies auch ein Punkt auf der Frühjahrs-Umweltministerkonferenz im saarländischen Orscholz. Dort fordern Bauernverbände, Landnutzer- und Weidetierhalterverbände die Politik in einer gemeinsamen Erklärung auf, eine Regulierung des Wolfsbestandes in Deutschland – verlangt wird eine deutliche Reduzierung der Wölfe – auf den Weg zu bringen.
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