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Urteil gegen Neonazis: Brandstiftung aus Hass auf Linke

Gericht verurteilt drei Männer wegen Anschlags auf ein alternatives Bremer Jugendzentrum

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
Nahe dem Landgericht Bremen demonstrierten Menschen während der Urteilsverkündung im Falle des Brandanschlags auf das Jugendzentrum »Die Friese« vor mehr als fünf Jahren.
Nahe dem Landgericht Bremen demonstrierten Menschen während der Urteilsverkündung im Falle des Brandanschlags auf das Jugendzentrum »Die Friese« vor mehr als fünf Jahren.

Von dem Bedauern und der Läuterung, die drei Neonazis vor Gericht bekundeten, war zwei Jahre nach der Tat noch wenig zu spüren gewesen. Da saßen sie im Auto, hörten Rechtsrock – und ergänzten die Liedzeile »Lichterloh brennt« lauthals grölend: »Die Friese!«

Im Februar 2020 hatte ein Feuer in dem linksalternativen Bremer Jugend- und Kulturzentrum dieses Namens gewütet. Gelegt wurde es während eines Konzerts, das rund 30 Menschen besuchten. Der Sachschaden betrug fast 190 000 Euro. Fünf Jahre später mussten sich drei Männer aus dem Umfeld der mittlerweile aufgelösten Kleinstpartei Die Rechte wegen des Anschlags vor dem Landgericht der Hansestadt an der Weser verantworten. Am Donnerstag wurde nach 15 Verhandlungstagen das Urteil verkündet.

Jan Henrik E., der den Brand durch das Anzünden einer aufgehängten Jacke entfacht hatte, muss für vier Jahre und neun Monate ins Gefängnis. Die Strafkammer verurteilte den 29-Jährigen wegen schwerer Brandstiftung und gefährlicher Körperverletzung. Zwar hatten sich alle Anwesenden rechtzeitig ins Freie retten können, einige von ihnen haben jedoch noch heute mit den physischen und psychischen Folgen jener Nacht zu kämpfen.

»Es war die Verachtung, der Hass auf politisch andersdenkende Menschen, die ihn dazu bewog, das Feuer zu legen«, sagte Strafkammervorsitzender Hendrik Göhner. Und: »Es war Glück im Unglück, dass an diesem Abend nicht noch mehr Menschen im Gebäude waren, nicht noch mehr Menschen verletzt wurden.« Beim Strafmaß ging das Gericht deutlich über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die drei Jahre und neun Monate verlangt hatte. Die Verteidigung hatte auf eine zweijährige Bewährungsstrafe plädiert.

Die Behauptung von E., er habe den Brand versehentlich beim Anzünden einer Zigarette gelegt und das wegen seines Alkoholpegels leider überhaupt nicht bemerkt, verwies Göhner ins Reich der Fantasie. Zugleich aber befand das Gericht: Der Angeklagte habe spontan gehandelt, es sei »kein von langer Hand geplanter Anschlag« gewesen.

»Es war Glück im Unglück, dass an diesem Abend nicht noch mehr Menschen im Gebäude waren, nicht noch mehr Menschen verletzt wurden.«

Hendrik Göhner Vorsitzender Richter

Eine Hausdurchsuchung hatte deutliche Hinweise darauf erbracht, dass E. sowohl mit dem rechtsterroristischen NSU als auch mit der Terrorstrategie des in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks »Blood & Honour« sympathisiert. Dass er mit seinen beiden Gesinnungsgenossen eine »Terrorzelle« gebildet haben könnte, schloss die Strafkammer jedoch aus.

Nico J. (35) und Dave S. (41) wurden sogar lediglich wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt: Entgegen ihren Beteuerungen vor Gericht hätten sie das gefährliche Zündeln ihres Kameraden bemerkt, aber nichts getan, um die Menschen in der »Friese« zu warnen. »Sie waren keine Mittäter, sie waren auch keine Helfer«, sagte Göhner. »Der Begriff des Mitwissers trifft es am besten.«

Beide kamen mit Bewährungsstrafen davon, die sich zusammen mit einbezogenen Strafen aus anderen Verfahren bei Nico J. auf 20 Monate und bei Dave S. auf 10 Monate summieren. Gegen S. wurden zudem weitere 15 Monate verhängt, weil er im vergangenen Jahr in einem Bremer Bus randaliert und auf den Fahrer eingeprügelt hatte – begleitet von rassistischen Ausfällen. Die Verteidigung hatte beantragt, die zwei Neonazis von jeglicher Schuld am Brand in der »Friese« freizusprechen.

Alle Angeklagten hatten im Prozess beteuert, eigentlich schon vor der Tatnacht nicht mehr politisch aktiv gewesen zu sein. Alles nur irgendwie blöd gelaufen damals, einem Übermaß an Alkohol geschuldet, so die Botschaft. Doch die Gespräche, die die Polizei bei ihren Ermittlungen belauschte, offenbarten etwas anderes. Da bejubelten die Neonazis nicht nur das Feuer in der »Friese«, da brüsteten sie sich auch mit ihrer (früheren) Zugehörigkeit zur 2019 verbotenen Bremer Neonazi-Schlägertruppe »Phalanx 18« und gaben sich Gewaltfantasien gegen Linke hin. »Dreckszeckenhöhlen« wie das alternative Kultur- und Jugendzentrum im Bremer Steintorviertel sollte man »ausräuchern«, sagte etwa Dave S.

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