Houston, wir haben kein Problem!

Und wieder kein Sommerurlaub im unsicheren und verregneten Deutschland

Ein sentimentaler Gruß nach Hamburg, an die besten Fischbrötchen der Welt!
Ein sentimentaler Gruß nach Hamburg, an die besten Fischbrötchen der Welt!

Howdy aus Texas, liebe Leser*innen, kommen Sie mich diesen Sommer besuchen? Wen interessiert schon, dass ein paar Deutsche letztens bei ihrer Einreise in die USA inhaftiert wurden? Die USA warnen jetzt selbst vor Reisen nach Deutschland: Die von den Teutonen ausgehende Gefahr wird auf Level 2 geschätzt, das ist das gleiche Niveau wie in Angola und Djibouti, aber auch – und das ist fast beruhigend – Italien. Als Level 1, also so sicher wie’s nur geht, gelten dagegen sowohl unser Nachbar Österreich als auch der Inselstaat Cap Verde, wo wir damals, im Urlaub, von unserem Fahrer zum Supermarkt bis an die Kasse begleitet wurden, als wir Shampoo kaufen wollten. Aber ich war schon länger nicht in Deutschland. Vielleicht habe ich was verpasst und Sie brauchen auch schon Shopping-Chaperones?

Die vergangenen drei Jahre wollte und konnte meine Familie aus verschiedenen Gründen nicht in die norddeutsche Heimat; diesen Sommer sollte es endlich so weit sein. Ganz unabhängig davon bewarben wir uns Ende vergangenen Jahres für die amerikanische Staatsbürgerschaft, Freunde sagten, das würde schnell gehen. Es ging auch schnell: bei meinem Mann. Obschon wir uns gleichzeitig anmeldeten (ich klickte natürlich ein paar Sekunden vor ihm auf »Absenden«, weil »Ladies First«), erhielt mein Mann vor mir eine Eingangsbestätigung seiner Dokumente. Als er schon zum Interview geladen war (die wichtigste Hürde im »Naturalization«-Prozess), kam meine Bestätigung des Dokumenteneingangs endlich. Als sein Test zu Politik, Geschichte und Gesellschaft der USA bestanden war, kam erst meine Einladung zum selbigen.

So wurde der Gatte Amerikaner, bevor ich überhaupt auf mein US-Wissen getestet werden konnte. Mein Test lief dann beinahe reibungslos ab. Beinahe, denn es gab einen Stromausfall, der die Computer in der zuständigen Behörde vier Stunden lang lahmlegte. Meinen Vorsatz, trotz vieler nervöser Kaffees bloß nicht zur Toilette zu gehen, um ja nichts zu verpassen, musste ich brechen. Aber als ich drankam, lief alles gut. Nur kam nie die Einladung zur Vereidigungszeremonie. Ohne die es keinen Pass gibt. Ohne den ich nicht wieder einreisen kann. Sie ahnen, wohin das führen wird.

»Ich hatte das Problem auch«, beruhigt mich eine Freundin. »Mein Mann bekam seinen Pass innerhalb von ein paar Monaten, aber meine Dokumente gingen verloren.« »Und wie lange dauerte es, bis du Staatsbürgerin wurdest?«, fragte ich, aufgeheitert, die Gender Gap ignorierend. »Vier Jahre.« Hätte ich doch alle meine Freunde gefragt, bevor ich meine Sommerpläne in den Sand setzte! Aber es nützt nichts. Ich muss mich nun mit dem Umstand zufriedengeben, dass ich auch dieses Jahr nicht nach Deutschland komme. Keine Spaziergänge in Altstädten, bis die Füße bluten, keinen Sack mit Regenschirm, Übergangsjacke und Pfandflasche herumschleppen, bis die Schulter schmerzt, kein grundloses Angestarrtwerden (die Amis haben gar einen Begriff dafür, »the German Stare«) in unklimatisierten S-Bahnen, keinen Ersatzbus nehmen aufgrund von Bombenentschärfung, kein nächtelanges Wachbleiben wegen des nachbarschaftlichen Schützenfestes.

Das ist nicht mein typischer Sarkasmus, ich meine es ernst: Ich vermisse es schrecklich, das baustellengeplagte verregnete Hamburg mit den besten Bäckereien und Fischbrötchen, den dreckigen Bars und unhöflichen Kellner*innen, den grünen Parks und hübschen Blumen, dem weinroten Samtbezug in der Oper, die viel zu wenige Klos hat, und gar die eine nervige Treppe am Hautbahnhof, die man immer nehmen muss, weil die Rolltreppe kaputt ist.

Doch ich kann auch innerhalb der USA reisen. Gut, andere Staaten zu besuchen, ist mittlerweile so teuer wie Europa (okay, die Flüge sind noch etwas günstiger, aber ich brauche bei Mutti nicht 350 Dollar pro Nacht zahlen, die mittelmäßige Unterkünfte mittlerweile kosten). Aber Texas ist auch spannend. Fast jeden Sommer fahre ich nach Beyoncés Heimathafen Houston, die drittgrößte Stadt der USA. Sie hat die schönsten Museen der US-Südstaaten, das Nasa-Zentrum, ein feucht-schwüles Klima und einen relativ hässlichen Strand. Und es gibt keine interne Reisewarnung.

Talke talks

News aus Fernwest: Jana Talke lebt in Texas und schreibt über amerikanische und amerikanisierte Lebensart.

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