Sender RBB muss sparen, aber wie viel?

Linke und Gewerkschaft fordern, angesichts von Mehreinnahmen geplante Kürzungen zu überdenken

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Wenn niemand mehr da ist, um Fragen zu stellen und das Mikrofon zu halten.
Wenn niemand mehr da ist, um Fragen zu stellen und das Mikrofon zu halten.

Für das vergangene Jahr hatte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) mit Einnahmen von 526,4 Millionen Euro geplant. Es waren dann tatsächlich 19,3 Millionen Euro mehr. Die mit 522,6 Millionen Euro veranschlagten Ausgaben fielen um 26,1 Millionen Euro geringer aus. Statt eines geringfügigen Überschusses von 3,8 Millionen belief sich der Gewinn auf 49,3 Millionen Euro – nach 27,5 Millionen im Jahr 2023. Im Jahr 2020 machte der RBB noch 20,4 Millionen Euro Verlust.

Das alles geht hervor aus Antworten der Berliner Senatskanzlei auf eine schriftliche Anfrage der Abgeordneten Anne Helm (Linke). Die Senatskanzlei hat sich ihrerseits beim RBB erkundigt. Helm wollte erfahren, ob der Sender auf angekündigte Sparmaßnamen wie den Abbau von 254 Stellen nicht ganz oder teilweise verzichten könnte, wo er doch bis 2028 fast 30 Millionen Euro mehr aus Rundfunkbeiträgen einnehmen werde. Dabei sei diese Summe noch auf Basis des alten Beitrags von 18,36 Euro monatlich berechnet. »Sollte das Bundesverfassungsgericht der Klage von ARD und ZDF stattgeben und sich der Rundfunkbeitrag erhöhen, kämen Einnahmen von 15 Millionen Euro pro Jahr hinzu«, erläutert Helm. Sie sagt: »Die geplanten massiven Einschnitte beim Programm und die Kürzung von zehn Prozent der Stellen gehen an die Substanz.« Wenn ein erfolgreiches Kinderprogramm wie der »Ohrenbär« eingestellt werden solle, so stehe das exemplarisch für einen falschen Weg.

Zuvor hatte auch schon die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi gefordert, den Personalabbau und Einschnitte beim Programm zu überdenken. »Der RBB hat dauerhaft mehr Geld, hält aber stur an den Einsparungen von 22 Millionen Euro und am Abbauplan für 254 feste und freie Stellen fest«, rügte die Landesbezirksvorsitzende Andrea Kühnemann. Sie kritisierte außerdem, dass die Geschäftsleitung die Ausbildung reduzieren wolle, wo doch aber bis 2030 etwa 600 Beschäftigte das Rentenalter erreichen. »In der Folge wird es nicht genügend eigene Nachwuchskräfte geben.«

»Die geplanten massiven Einschnitte beim Programm und die Kürzung von zehn Prozent der Stellen gehen an die Substanz.«

Anne Helm Linke-Abgeordnete

Der Senatskanzlei zufolge musste der RBB in den beiden zurückliegenden Jahren einschneidend und kurzfristig sparen, da sich eine mittelfristig sinkende Liquidität abgezeichnet habe, »die ein Gegensteuern nötig machte«. Weiter heißt es: »Die erwarteten Mehrerträge verändern die Situation des RBB nicht grundlegend.« Und: »Die strukturellen Veränderungen bleiben weiterhin notwendig.«

Offen ist derweil, ob der Sender seiner fristlos entlassenen Intendantin Patricia Schlesinger rückwirkend ab Januar 2023 und lebenslang ein Ruhegehalt von 18 300 Euro im Monat zahlen muss. Einen Vergleich will der RBB mit ihr nicht schließen. Darum müsste nun das Landgericht Berlin am 4. Juli ein Urteil verkünden. Es hatte sich im Januar mit dem Fall befasst und eine gütliche Einigung angeregt.

Eine Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303 000 Euro im Jahr und ein teurer Dienstwagen mit Massagesitzen. Neun Einladungen an drei bis elf Gäste zum Essen bei sich daheim, abgerechnet als Spesen beim RBB. Fragwürdige Beraterverträge und ein laxer Umgang mit den Regeln zur Kollision privater und beruflicher Interessen. Das waren kurz zusammengefasst die Vorwürfe, die 2022 zum Rauswurf von Schlesinger führten.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Doch es geht nicht allein um das sogenannte Ruhegeld für die mittlerweile 63-Jährige. Auch in den Verträgen anderer gefeuerter Führungskräfte waren solche Zahlungen vereinbart. Ob dies als sittenwidrig und damit nichtig anzusehen sei, müssen Gerichte beurteilen, vor denen schon verschiedene solcher Fälle behandelt worden sind. Allein für 2024 beliefen sich die Ruhegeldzahlungen des RBB auf 2,6 Millionen Euro – und insgesamt entstanden dem Sender durch die Streitigkeiten um Ruhegelder und Schadenersatzansprüche bislang Rechtsanwaltskosten in Höhe von 818 000 Euro.

Die Senatskanzlei ist sich nach eigenen Angaben der angespannten finanziellen Lage des RBB bewusst. Sie sieht Risiken mit Blick auf Inflation, Zinsentwicklung und mögliche Preissteigerungen. Haften müssten die Länder Berlin und Brandenburg. Darum wirke die Senatskanzlei gemeinsam mit der Potsdamer Staatskanzlei darauf hin, dass eine Finanzierungslücke von neun Millionen Euro jährlich ab 2026 geschlossen werde. »Die weitere Entwicklung wird maßgeblich von der konsequenten Umsetzung der beschlossenen und angekündigten Sparmaßnahmen abhängen«, so Senatskanzleichef Florian Graf (CDU). Sämtliche Einspar- und Optimierungsmöglichkeiten müssten genutzt werden.

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.