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Veteranentag: Ein Volksfest für die Kriegstüchtigkeit
Mit Bratwurst und Kinderprogramm will die Regierung am ersten »Veteranentag« die Bevölkerung fürs Militärische gewinnen. Ein Gastbeitrag
Am kommenden Sonntag findet zum ersten Mal der sogenannte »Veteranentag« statt. Das altmodische militaristische Ritual passt in das Programm des deutschen Staates zur Erlangung von »Kriegstüchtigkeit«.
Obwohl der politische Wille nach dem Regierungswechsel weiterhin ungebrochen scheint und zumindest den finanziellen Bestrebungen zur Aufrüstung kein Limit mehr gesetzt wird, stößt das Programm zur Herstellung eines »kriegstüchtigen« Deutschlands weiterhin an eine materielle Grenze: Nach wie vor finden sich nicht genug Menschen, die gewillt sind, sich bei der Bundeswehr zu verpflichten. Trotz intensiver Werbeausgaben (allein 2024 über 53 Millionen Euro) und einem militärfreundlichen hegemonialen Diskurs, bleibt die Anzahl der Menschen, die tatsächlich bereit wären, im Kriegsfall für Deutschland zu töten und zu sterben gering. Eine mögliche Antwort von Regierungsseite ist der direkte Zwang, was die seit einiger Zeit omnipräsente Debatte über die Wehrpflicht erklärt. Doch auf der diskursiven und ideologischen Ebene wird vieles in Bewegung gesetzt, um die erwünschte »Kriegstüchtigkeit« herzustellen.
»Kriegstüchtigkeit« bezieht sich im Jargon von Militär und Politik längst nicht mehr nur auf ein schlagkräftiges Militär. Vielmehr bezeichnet sie einen Zustand, in dem sich die gesamte Gesellschaft hinter den Kriegszielen vereint und jede*r einen Teil dazu beiträgt, sie umzusetzen. Der schon 2024 von der Ampelregierung beschlossene Veteranentag, der ab diesem Jahr nun jeden 15. Juni stattfinden wird, ist ein Beispiel für eine Maßnahme zur Herstellung dieser mentalen Seite der Kriegstüchtigkeit.
Die Bundeswehr gibt sich besonders bürgernah
Anders als der bereits seit 2014 stattfindende »Tag der Bundeswehr«, eine Variante des »Tags der offenen Tür« in Bundeswehreinrichtungen, soll der Veteranentag laut eigenen Angaben der Bundeswehr »Kein Tag der Bundeswehr für die Bundeswehr« sein, sondern sich an die gesamte Gesellschaft richten. Konkret heißt das, dass nicht nur abgelegene Bundeswehreinrichtungen einzelne Events und Feierlichkeiten veranstalten, sondern bundesweit an zentralen Orten Volksfesten ähnelnde Veranstaltungen abgehalten werden.
Bei den Veranstaltungen gibt sich die Bundeswehr besonders bürgernah.
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In fast allen Bundesländern (das Saarland bildet eine Ausnahme) finden insgesamt 118 Veranstaltungen statt. Diese reichen von Bier- und Bratwurstständen über Etappen-Radtouren bis hin zu öffentlichen Militärparaden und Gelöbnissen. Die zentrale Veranstaltung findet in Berlin vor dem Bundestag statt, einschließlich eines extra auf Kinder zugeschnittenen, festlichen Programms. Gemeinsam ist diesen Veranstaltungen, dass die Bundeswehr sich überall besonders bürgernah gibt und aggressiv um das zivilgesellschaftliche Publikum wirbt. Es geht darum, Akzeptanz, Wertschätzung und Bewunderung für die Bundeswehr und das Militärische zu produzieren. So erklärt sich auch der Bezug zum Begriff »Veteran«, der in der deutschen Gesellschaft bislang wenig alltäglichen Gebrauch findet. Anders als beispielsweise in den USA gibt es keine aktive Veteranenkultur. Dort werden die oft prekären sozialen Lebensverhältnisse von Menschen aus dem aktiven Kriegseinsatz, die häufig dauerhaften Schaden an Leib und Leben davon tragen, mit einem Quantum gesellschaftlicher Anerkennung garniert.
»Eine Veteranen- und Gefallenenkultur ist eine stete Verpflichtung«
Dies soll nun jedoch geändert werden. Bereits in den »Verteidigungspolitischen Richtlinien« von 2023 ist zu lesen: »Die Bundeswehr, einschließlich der Reserve, gehört in die Mitte der Gesellschaft. Sie muss dort erlebbar sein, wo die Menschen sind. […] Eine aktive, auch von der Gesellschaft getragene Veteranen- und Gefallenenkultur ist eine stete Verpflichtung.« Von der Definition des Wortes »Veteran« sollen sich dabei möglichst viele angesprochen fühlen. Nicht nur Menschen, die in Kriegseinsätzen waren, sondern alle, die in der Bundeswehr dienen oder gedient haben und ehrenhaft entlassen wurden, fallen unter die Definition der Bundeswehr – rund zehn Millionen Menschen in Deutschland also. Anrufungen seitens der Bundeswehr an die »Veteran*innen« betonen die Wertschätzung, die jede*r dem Militär Angehörige verdiene, egal in welcher Funktion sie gedient haben.
Dies deutet wieder darauf hin, dass zur Kriegstüchtigkeit eben eine breite gesellschaftliche Mobilisierung gehört, die nicht nur den Militärapparat betrifft. Auch Reservist*innen, also Personen, die zwar die militärische Grundausbildung absolviert haben, sich aber nicht mehr im aktiven Dienst befinden, kommt eine besondere Rolle zu. Sie könnten noch besser als die aktiven Bundeswehrstrukturen die Funktion erfüllen, das Militärische in der Gesellschaft noch breiter zu etablieren. Außerdem kommen ihnen im Kriegsfall bestimmte Aufgaben zu, wie die Übernahme und Koordination ziviler Bereiche, beispielsweise in Verwaltung, Krankenhauswesen und Logistik. Reservist*innen sollen auch einen Großteil der sogenannten »Heimatschutzdivisionen« ausmachen. Diese haben die Aufgabe, im Kriegsfall militärisch die Ordnung an der »Heimatfront«, sprich im Inland, aufrechtzuerhalten. Gewaltsame Bekämpfung von Protesten oder jedweden Prozessen, die die Kriegsbemühungen erschweren, gehören dazu.
»Veteranentag? Wir feiern eure Kriege nicht!«
Zu den personellen Wachstumsplänen der Bundeswehr bis 2030 gehören daher nicht nur die Erhöhung der aktiven Soldat*innen auf 203 000, sondern auch die der Reservist*innen auf rund 300 000. Wie das konkret möglich sein soll, ob etwa eine verkürzte Grundausbildung angeboten wird, daran wird gerade noch fieberhaft gearbeitet. Angesichts all dessen ist es kein Wunder, dass sich viele der Festlichkeiten am »Veteranentag« explizit an Reservist*innen richten, die schließlich den Großteil unter den »Veteran*innen« ausmachen. Bemerkenswert ist zum Beispiel das sogenannte »1. Reservistengelöbnis« in Vechta, bei dem Reservist*innen den in der Grundausbildung geleisteten Schwur auf die bundesdeutschen Werte, auf Gehorsam und Vaterland erneuern können.
Bereits im Vorfeld der Feierlichkeiten wurde vielerorts Protest angekündigt. So ruft ein breites Bündnis linker Gruppen aus Berlin unter dem Motto »Veteranentag? Wir feiern eure Kriege nicht!« zu Protesten gegen das zentrale Event auf. Auch gegen das Gelöbnis in Vechta wird mit dem Aufruf »Verweigerungstag statt Veteranentag« der Interventionistischen Linken und anderen Gruppen der Umgebung nicht ohne Widerspruch hingenommen. Ob der Bundeswehr angesichts dessen eine reibungslose Selbstinszenierung gelingt, bleibt abzuwarten.
Jonas Uphoff ist bei der Informationsstelle Militarisierung in Tübingen aktiv und Autor der IMI-Studie »Von der Schmuddelecke in die Systemrelevanz. Die mediale Zeitenwende im öffentlichen Diskurs über Rheinmetall«.
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