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Bougainville will die Unabhängigkeit
Gespräche in Neuseeland sollen den Weg für die Loslösung von Papua-Neuguinea ebnen
Nicht die Welt, aber viele Bewohner von Bougainville schauen derzeit auf das Burnham Military Camp, das auf Neuseelands Südinsel liegt. Dort sollen Gespräche den Weg für Bougainvilles geplante Unabhängigkeit bis September 2027 ebnen.
2019 hatten 97,7 Prozent der rund 180 000 Wahlberechtigten in einem Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt – weniger als zwei Prozent wollten bei Papua-Neuguinea verbleiben. Als das Ergebnis in der Provinzhauptstadt Buka bekannt gegeben wurde, brach die versammelte Menschenmenge in Jubel aus.
2021 einigten sich die Regierungen Papua-Neuguineas und Bougainvilles auf eine Unabhängigkeit bis 2027 – doch das Abkommen harrt noch immer der Ratifizierung durch Papua-Neuguineas Parlament. Nun debattieren beide Seiten über die konkreten Modalitäten der Umsetzung.
»Wir bewegen uns vorwärts. Und es ist die Vision des Volkes: Unabhängigkeit«, erklärte Bougainville-Präsident Ishmael Toroama, ein ehemaliger Kommandant der Bougainville Revolutionary Army, gegenüber Forschern. »Ich sage, nicht früher als 2025, nicht später als 2027. Mein Ziel ist 2026, der 1. September.« Die Gespräche in Christchurch haben eine besondere symbolische Bedeutung. Papua-Neuguineas Premierminister James Marape bezeichnete Burnham als »spirituelle Heimat des Bougainville-Friedensprozesses«. Das Militärlager war bereits 1997 Gastgeber für entscheidende Verhandlungen, die zur Beendigung des verheerenden Bürgerkrieges beitrugen. Über zehn Jahre hatten die Bougainviller gegen die Ausbeutung ihrer rohstoffreichen Inselgruppe durch ausländische Bergbaukonzerne und für die Unabhängigkeit von Papua-Neuguinea gekämpft. Zwischen 1988 und 1998 kamen schätzungsweise 15 000 bis 20 000 Menschen ums Leben.
Umstrittene Mine
Nun liegt womöglich ein Motiv für das Unabhängigkeitsbestreben Bougainvilles tief unter der Erde: in der seit 1989 stillgelegten Panguna-Mine. Die früher von Rio Tinto betriebene Kupfer- und Goldmine, die ursprünglich Auslöser des Bürgerkrieges war, könnte nun paradoxerweise die Finanzierung der Unabhängigkeit ermöglichen. »Bougainville-Führer sehen die Wiedereröffnung der Panguna-Mine als Schlüssel zur Finanzierung der Unabhängigkeit«, schreibt Anna-Karina Hermkens von der Macquarie University, die intensiv zu Bougainville forscht. Die autonome Regierung habe bereits eine eigene Goldraffinerie gebaut und hoffe, einen Staatsfonds zur Unterstützung der Unabhängigkeit zu schaffen.
Branchenexperten schätzen, dass noch 5,3 Millionen Tonnen Kupfer und 547 Tonnen Gold an dem Standort lagern. Diese Ressourcen wecken internationales Interesse – auch in China. »Chinesische Investoren haben Entwicklungspakete angeboten, die von langfristigen Bergbaueinnahmen und Bougainvilles Unabhängigkeit abhängig sind«, so Hermkens. Doch die Mine bleibt höchst umstritten. Zwischen 1972 und 1989 verursachte sie schwere Umweltschäden und Vertreibungen. Landbesitzer sind bis heute gespalten, was eine mögliche Wiedereröffnung betrifft. »Einige befürchten auch, dass die Wiedereröffnung der Mine Konflikte wieder entfachen könnte«, warnt die Anthropologin.
Sollte Papua-Neuguineas Parlament das 2021 vereinbarte Abkommen zur Unabhängigkeit bis 2027 nicht ratifizieren, sind ebenfalls neue Spannungen zu erwarten. Bereits vor der Abstimmung 2019 hatte Ben Bohane von der australischen Denkfabrik Lowy Institute vor dem Potenzial für eine weitere ernsthafte Sicherheitskrise in der Region gewarnt.
Dabei haben Bougainvilles Unabhängigkeitsbestrebungen längst geopolitische Dimensionen erreicht. Die strategisch günstig gelegene Inselgruppe befindet sich in dem Areal, das Canberra seinen »inneren Sicherheitsbogen« nennt. Die autonome Inselgruppe, die einst unter deutscher Verwaltung stand und ihren Namen dem französischen Forscher Louis Antoine de Bougainville verdankt, liegt nur etwa 1500 Kilometer nordöstlich von Australien. Die Australier folgten ab 1914 dann auch auf die deutschen Kolonialherren. Zwischenzeitlich herrschte Japan über das Inselvolk, danach erneut Australien, bis Papua-Neuguinea mitsamt Bougainville 1975 unabhängig wurde.
Komplexe Probleme
Trotz der Entschlossenheit ihrer Führung steht die künftige Nation vor enormen Herausforderungen. »Bougainville ist mit weitverbreiteter Korruption und schlechter Regierungsführung konfrontiert«, konstatiert Hermkens. Die Regierung könne die komplexen Probleme nicht allein bewältigen und benötige dringend ausländische Investoren. Nicht alle setzen dabei auf den Bergbau. Ministerin Geraldine Paul bewirbt alternative Einnahmequellen wie die boomende Kakao-Industrie und die Fischerei. »Das Wichtigste ist, dass wir in unser Fundament investieren, und das ist der Aufbau unserer Familie und Kultur«, betonte sie gegenüber Forschern.
Die Christchurch-Gespräche sind für die Medien nicht zugänglich. Neuseelands Außenminister Winston Peters, der die Post-Referendum-Gespräche ankündigte, erklärte in einer Stellungnahme: »Ein einvernehmlich vereinbartes Ergebnis ist wichtig für Papua-Neuguinea, Bougainville und die weitere Region.« Auch für Hermkens steht fest: »Was in Bougainville geschieht, betrifft Australien und die breiteren Sicherheitsdynamiken im Indopazifik.«
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