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Nach US-Angriff im Iran: Alle erwarten Gegenschlag
Die Sorge vor einer weiteren Eskalation im Nahen Osten ist groß
Wie, wo und wann schlägt der Iran zurück? Auf diese Frage antworten Beobachter mit einer Aufzählung der wenigen Optionen, die das islamische Regime in Teheran noch zur Verfügung hat: Mobilisierung der letzten Hilfstruppen (Huthi im Jemen, schiitische Milizen im Irak); Angriffe auf US-Militärbasen in der Region; Sperrung der Meerenge von Hormuz, die den Persischen Golf mit dem Golf von Oman und damit dem Indischen Ozean verbindet.
Der staatliche iranische Auslandsfernsehsender Press TV berichtete am Sonntag, das iranische Parlament habe die Sperrung der Schifffahrtsroute beschlossen. »Das Parlament ist zu dem Schluss gekommen, dass die Straße von Hormuz geschlossen werden sollte, aber die endgültige Entscheidung liegt beim Obersten Nationalen Sicherheitsrat«, erklärte demnach Esmail Kowsari, Mitglied des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik.
Über diese Schifffahrtsroute wurde 2024 nach Daten der Energy Information Administration ein Fünftel des global nachgefragten Rohöls transportiert, berichtet das »Handelsblatt«. Iran selbst verschifft durchschnittlich etwa 1,5 Millionen Barrel täglich durch die Meerenge, wovon rund 90 Prozent nach China gehen. China verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die Entwicklungen.
Mit Unterwasserminen ließe sich die Straße von Hormuz ohne großen Aufwand unpassierbar machen, zumal große Tankschiffe die Meerenge in nur wenige Kilometer breiten Fahrrinnen passieren müssen. Alternativen wären die Versenkung von Schiffen, um die Durchfahrt zu blockieren, oder der Beschuss von Öltankern. Doch das wäre riskant und würde den Iran mit Sicherheit militärischer Gegenmaßnahmen aussetzen. Die deutsche Bundesregierung hat vor einer Sperrung der Seestraße von Hormuz gewarnt. »Wir sehen die Drohungen, die da gemacht werden, mit enormer Besorgnis«, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Montag in Berlin.
Nüchtern betrachtet liegt eine Blockade der Straße von Hormuz nicht mal im iranischen Interesse – trotz aller Drohungen. Zum einen stünden dann die in den letzten Jahren verbesserten Beziehungen zu den arabischen Nachbarn am Persischen Golf auf dem Spiel. Zudem braucht das Land selbst die Einnahmen aus dem Ölverkauf, und drittens liegt die fünfte Flotte der US-Marine vor Bahrain im Persischen Golf: »Kann die iranische Marine sich darauf einlassen? Wohl kaum, die Amerikaner würden sie plattmachen«, zitiert »Tagesschau.de« den Ölmarktanalysten Gaurav Sharma.
»Das Parlament ist zu dem Schluss gekommen, dass die Straße von Hormuz geschlossen werden sollte.«
Esmail Kowsari Iranischer Abgeordneter
Daher dürften auch direkte Angriffe gegen US-Militärstützpunkte in der Region wegen der US-amerikanischen Gegenreaktion nicht infrage kommen. Allenfalls denkbar wären Attacken seitens proiranischer Milizen, die jedoch von den USA indirekt dem Iran zugeschrieben werden und gleichfalls als Rechtfertigung für einen Gegenschlag angesehen werden könnten. Von den Hilfstruppen der Islamischen Republik in der Region ist jedenfalls nicht viel zu erwarten, dafür sind ihre Kräfte entweder zu stark dezimiert durch die israelischen Angriffe wie im Fall der Hisbollah und der Hamas, oder aber sie müssten fürchten, in einer größeren militärischen Auseinandersetzung aufgerieben zu werden.
So glaubt die Irak-Expertin Luluwa Al-Raschid nicht, dass die proiranischen Milizen im Iran, die noch über eine gewisse Kampfkraft verfügen, das Interesse hätten, sich in Auseinandersetzung zu stürzen, deren Ausgang nicht vorhersehbar ist: »Sie wollen ihr Land nicht in einen Krieg ziehen«, sagte sie gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Der Irak habe in den letzten Jahrzehnten viel Leid, Krieg und Zerstörung gesehen. Die Vertreter der vom Iran unterstützten Milizen seien an keiner weiteren »Spirale der Gewalt« interessiert – trotz ihrer Rhetorik des Widerstands gegen die USA und Israel.
Russland und China, obwohl enge Partner der Islamischen Republik, sind offensichtlich auch nicht gewillt, dem Iran zur Seite zu springen. Verständlich, denn im Hintergrund lauert die US-Armee. Irans Außenminister Abbas Araghtschi holte sich zwar am Montag in Moskau die Unterstützung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der sprach von einer »absolut unprovozierten Aggression gegen den Iran«, für die es keinen Grund und keine Rechtfertigung gebe. »Wir haben mit dem Iran lange, gute, zuverlässige Beziehungen. Wir werden von unserer Seite Anstrengungen unternehmen, um dem iranischen Volk beizustehen«, sagte Putin. Doch worin diese Unterstützung genau besteht, das blieb offen. Auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte nur, es hänge davon ab, was der Iran brauche.
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