Volksentscheid »Berlin autofrei«: Auto-Senat abgewatscht

Verfassungsgericht gibt der Initiative »Berlin autofrei« grünes Licht für einen Volksentscheid

  • Leonie Hertig
  • Lesedauer: 3 Min.
Bahn frei für den Volksentscheid: Der Verfassungserichtshof hat die Steine aus dem Weg geräumt, die der Berliner Senat der Initiative »Berlin autofrei« in den Weg gelegt hatte.
Bahn frei für den Volksentscheid: Der Verfassungserichtshof hat die Steine aus dem Weg geräumt, die der Berliner Senat der Initiative »Berlin autofrei« in den Weg gelegt hatte.

Im Streit zwischen dem Senat und der Initiative »Berlin autofrei« hat der Verfassungsgerichtshof der Initiative recht gegeben. Sie will per Volksentscheid eine von privatem Autoverkehr weitgehend befreite Innenstadt erreichen. Der Senat hatte zur Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens den Gerichtshof angerufen.

Bereits im Jahr 2022 hatte die Gruppe dem Senat 50 000 Unterschriften für ihren Gesetzesentwurf übergeben. Nach einer Zulässigkeitsprüfung lehnte der Senat den Entwurf mit der Begründung ab, dass dieser allgemeine Handlungsfreiheiten beschneide – und bat den Verfassungsgerichtshof, die Bedenken zu prüfen. Das Verfassungsgericht entschied nun mit acht zu eins Stimmen der Richter, dass der Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens zulässig sei.

»Im Grunde können wir die Antwort des Verfassungsgerichtshofs damit zusammenfassen, dass alle Punkte, die der Senat vorgelegt hat, abgewiesen wurden«, sagte Marie Wagner von »Berlin autofrei«. Sie erklärte: »Jetzt müssen wir die Berliner Verkehrspolitik aus dem Rückwärtsgang herausholen und endlich mit der Verkehrswende vorankommen

»Mit dem Gesetzentwurf werden überragend wichtige Gemeinwohlziele – der Schutz von Leben und Gesundheit sowie der Umwelt- und Klimaschutz – verfolgt.«

Verfassungsgerichtshof Berlin

Laut Auffassung des Verfassungsgerichts greift das angestrebte Gesetz nicht in die Grundrechte ein. »Ebenso wenig verstoßen die vorgesehenen Regelungen gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Mit dem Gesetzentwurf werden überragend wichtige Gemeinwohlziele – der Schutz von Leben und Gesundheit sowie der Umwelt- und Klimaschutz – verfolgt«, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Entwurf sei von der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers – in diesem Fall der Bürger*innen – gedeckt, führte Gerichtspräsidentin Ludgera Selting aus.

Ein Mitglied der Initiative fasste das Urteil als »Watsche für den Senat!« zusammen. Laut Rechtsanwalt Philipp Schulte kam dieses Urteil nicht überraschend. »Wir haben es von vornherein gesagt: Wir tangieren diese benannten Grundrechte nicht.«

»Das Abgeordnetenhaus hat nun vier Monate Zeit, sich den Gesetzesentwurf anzuschauen und ihn zu übernehmen. Wir gehen davon aus, dass das nicht passieren wird und wir in unsere zweite Unterschriftenphase starten«, erklärte Marie Wagner. 175 000 Unterschriften braucht es nun, um einen Volksentscheid über den Gesetzesentwurf herbeizuführen.

Vertreter*innen der Initiative am Mittwoch im Gericht
Vertreter*innen der Initiative am Mittwoch im Gericht

Durch Straßen mit wenig Autos innerhalb des S-Bahn Rings sollen die Sicherheit erhöht, die Lebensqualität gesteigert, der Klima- und Umweltschutz verbessert werden. Sondergenehmigungen zum Befahren der Straßen sind unter anderem für öffentliche Verkehrsmittel, Polizei, Rettungswagen, Müllabfuhr, Lieferverkehr sowie für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen vorgesehen.

Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus zeigte sich mit den übergeordneten Zielen der Initiative einverstanden. Allerdings, so erklärte der Abgeordnete Kristian Ronneburg: »Voraussetzung für Maßnahmen, die zu einer deutlichen Reduzierung des Autoverkehrs führen, ist für uns dabei vor allem der Ausbau und die Beschleunigung des ÖPNV sowie auch des Fuß- und Radverkehrs, um den Umstieg vom Auto auf umweltgerechte Verkehrsmittel zu ermöglichen.«

Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.

Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen

Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.