Nackt im Glück (54)

Wie Triathleten Geburtstag feiern

Paradiesisch: der Liepnitzsee nahe Wandlitz
Paradiesisch: der Liepnitzsee nahe Wandlitz

Am Montag bin ich 54 geworden. Normalerweise hätten meine Frau, die Kinder und ich das bei Kaffee und Kuchen gefeiert, vielleicht hätte ich mich danach mit einem Buch in die Hängematte verzogen. Doch jetzt bin ich ja Triathlet, beinahe. Und so stehe ich stattdessen um zwei Uhr nachmittags splitternackt am Ufer des Liepnitzsees und bereite mich auf mein erstes Wechseltraining vor: 500 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Rad, 5 Kilometer Laufen – erstmals absolviere ich alle drei Triathlon-Disziplinen hintereinander. Happy Birthday!

Es riecht nach Gewitter. Die Wolken ziehen rasch am grauen Himmel entlang, smaragdgrün glitzert das Wasser vor mir: der schönste Waldsee im Berliner Umland, und wir haben ihn praktisch für uns allein. FKK Ehrensache, schließlich bin ich ein Kind des Ostens! Meine Frau sitzt im Schatten einer Buche, auf der Decke ist um sie herum mein Krempel verteilt – Rennrad, Helm, Sonnenbrille, Laufschuhe. Sie lächelt mir zu: »Na los, Liebling, auf geht’s!« 

Ich starte meine Sportuhr und lasse mich ins Wasser gleiten. Einfach 250 Meter hin und wieder zurück, so mein Plan: Zielmarke ist die Schwimminsel am Strandbad gegenüber. Ich kraule, unter mir umkreisen drei Rotfedern einen versunkenen Ast. Doch die Schwimmbrille ist undicht. Sie läuft langsam mit Wasser voll, sodass ich weder die Schwimminsel erkennen kann noch die Distanzanzeige meiner Uhr. Immer wieder muss ich anhalten, die Brille korrigieren und Ausschau halten. Freiwasserschwimmen! Aha!

Probetraining
Jirka Grahl
Foto: nd

nd-Redakteur Jirka Grahl probiert Neues, zum Auftakt Triathlon. 1500 m Schwimmen, 43 km Rad, 10 km Lauf. Am 14.9. ist Wettkampfpremiere: beim Fehmarn-Triathlon.

Als ich an der Schwimminsel wende, sogar ein kleiner Schock: An dem Ufer, das nun das gegenüberliegende ist, sehe ich nur dunkelgrünes Rauschen. Wo ist gleich noch mal die Stelle, an die ich zurückwill? Ich kraule dorthin, wo ich meine Liebste vermute. Als ich nahe genug dran bin, rufe ich ihren Namen und sie lotst mich winkend zurück. 532 Meter, 14:50 Minuten, steht auf meiner Uhr, als ich aus dem See steige. Ärgerlich langsam.

Meine Frau reicht mir das Handtuch, ich esse eine Banane, steige in die Radklamotten und schwinge mich nach acht Minuten Wechselzeit aufs Rad. Die 20 Kilometer auf der Landstraße 273 werden zu einer Meditation in Bewegung. Hin und her pendle ich auf dem Radweg, in der einen Richtung schiebt mich der Wind sanft vorwärts, auf der anderen kämpfe ich strampelnd gegen ihn an. 48 Minuten brauche ich – ein Schnitt von 25,1 km/h.

Zurück am See fühle ich mich immer noch gut. Noch ein Wechsel, diesmal nur viereinhalb Minuten, dann sind auch die Laufschuhe geschnürt. Noch fünf Kilometer! Ich finde schnell meinen Rhythmus, laufe gleichmäßig durch den Wald am Seeufer entlang. Als ich nach einer guten halben Stunde wieder an der Buche ankomme, klatscht meine Frau. »Und?«, fragt sie: »Wie war’s?« Ich gucke auf meine Uhr: 1:51:45. »Fehmarn kann kommen«, strahle ich zufrieden.

Dann müssen wir uns beeilen, ein Sturm zieht auf. Wir hetzen zum Auto, doch ich muss die ganze Zeit grinsen: Wenn auch nur privat, das war mein erster Triathlon! Mit 54! Das beste Geburtstagsgeschenk kam diesmal von mir selbst.

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