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Misstrauen gegenüber von der Leyen

Vor allem rechte Parteien stellen im Europaparlament Abwahlantrag gegen EU-Kommission. BSW gehört zu den Unterstützern

Hat sich allerhand Misstrauen eingehandelt: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Hat sich allerhand Misstrauen eingehandelt: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen

Die EU-Kommission muss sich in der kommenden Woche einem Misstrauensantrag im Europäischen Parlament stellen. Wie Parlamentspräsidentin Roberta Metsola den Fraktionen mitteilte, erreichte der Antrag die nötige Mindestzahl von 72 unterzeichnenden Abgeordneten, also mindestens zehn Prozent der 720 EU-Parlamentarier. Die Debatte im Plenum soll am Montag stattfinden, die Abstimmung am Donnerstag.

Initiiert wurde der Misstrauensantrag von dem rechten rumänischen Abgeordneten Gheorge Piperea; der allergrößte Teil der Unterstützer kommt aus rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien. Begründet wird der Misstrauensantrag unter anderem mit Vorwürfen des Missmanagements in der Coronakrise und der Weigerung, die damalige Korrespondenz zwischen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und dem US-Pharmakonzern Pfizer öffentlich zu machen. Außerdem geht es um die Behauptung, die EU-Kommission habe Einfluss auf die Wahlen in Rumänien und Deutschland genommen.

Die Unterzeichnerliste des Antrags liest sich weitgehend wie ein »Who is who« der europäischen Rechten. Dabei sind Abgeordnete von 22 Parteien, darunter die AfD, die österreichische FPÖ, die portugiesische Chega, das französische Rassemblement National und die polnischen PiS. Die meisten gehören einer der drei Rechtsaußen-Fraktionen des EU-Parlaments an.

Ebenfalls unterstützt wird der Antrag vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Dessen Abgeordneter Thomas Geisel und der mittlerweile Parteilose Friedrich Pürner gehören zu den Unterzeichnern. Der Abgeordnete Fabio De Masi erklärte, die BSW-Gruppe werde »für den Misstrauensantrag stimmen, auch wenn wir nicht in jedem Detail einverstanden sind«. Wer den Antrag einbringe, sei nicht ausschlaggebend, so De Masi, man entscheide in der Sache. Zur Liste der Vorwürfe an Kommissionspräsidentin von der Leyen fügte De Masi noch hinzu, dass sie die Rüstung forciere, Völkerrechtsbrüche in Gaza und Iran übergehe, vor der Zollpolitik von US-Präsident Trump einknicke sowie die europäische Wirtschaft mit Sanktionen gegen Russland untergrabe. Das BSW, dessen fünf Abgeordnete keiner Fraktion angehören, habe selbst versucht, gemeinsam mit unabhängigen Abgeordneten eine solche Abwahlinitiative zu starten, aber nicht genügend Unterstützung gefunden, so De Masi. Nun hätten die rechten Kräfte, »deren Werte und Politik wir nicht teilen«, den Antrag teilweise übernommen.

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Die Konservativen lehnen den Misstrauensantrag ab; der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfed Weber, bezeichnete die Unterstützer als Marionetten von Wladimir Putin. Andere Fraktionen haben sich noch nicht auf ein Abstimmungsverhalten geeinigt. Von den Sozialdemokraten hieß es, der Antrag zeige, dass sich von der Leyen nicht auf die Stimmen der Rechten verlassen könne, auf die sie bei Abstimmungen oft spekuliere. Linke-Fraktionschef Martin Schirdewan sagte, zwar sei ein sozialer Politikwechsel und damit wahrscheinlich ein Personalwechsel nötig, aber man stimme prinzipiell nicht mit den Rechten ab. Die Grünen fordern Transparenz etwa in der Coronafrage, meinen aber, dass die rechten Antragsteller nur Chaos stiften und »die EU von innen heraus zerstören wollen«.

Für einen Erfolg des Misstrauensantrags liegt die Latte sehr hoch. Nötig sind zwei Drittel der abgegebenen Stimmen sowie mindestens die Hälfte der gewählten Abgeordneten. Die Mehrheit liegt bei 361 Stimmen; nähmen alle Parlamentarier an dem Votum teil, müssten es sogar 480 Stimmen sein, die zum Rücktritt der Kommission führen würden. Bisher war noch nie ein Abwahlantrag gegen eine EU-Kommission erfolgreich. Allerdings trat 1999 die Kommission unter dem konservativen luxemburgischen Präsidenten Jacques Santer nach massiven Korruptionsvorwürfen zurück und kam damit einem Misstrauensantrag zuvor. Mit Agenturen

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