Markus Krall: Der Crashprophet und der Plan vom Putsch

Im Frankfurter Terrorverfahren gegen Prinz Reuß & Co. spielt Markus Krall seine Kontakte zu den Verschwörern herunter

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 4 Min.
»Freiheit oder Untergang« heißt Markus Kralls jüngste Crashprophezeihung in Buchform.
»Freiheit oder Untergang« heißt Markus Kralls jüngste Crashprophezeihung in Buchform.

Man kennt es aus unzähligen Prozessen gegen Neonazis: Müssen ihre Gesinnungsgenoss*innen in den Zeugenstand treten, befällt sie eine plötzliche Amnesie. Markus Krall ist kein Neonazi. Aber als der rechtslibertäre Crashprophet und zeitweilige Vorkämpfer der rechten Werteunion jetzt als Zeuge – Beschuldigter ist er nicht – im Frankfurter Terrorprozess gegen die mutmaßliche Reichsbürger-Umsturztruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß aussagen muss, da klingt vieles seltsam vertraut: »Weiß nicht«, »Ist mir nicht erinnerlich«, »Das entzieht sich meiner Kenntnis«.

Der 62-Jährige schafft es allerdings, dabei so zu klingen, als würde er seine Erinnerungslücken tatsächlich bedauern. Je länger er vom Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts befragt wird, desto deutlicher wird jedoch: Er ist vor allem darum bemüht, jegliche Nähe zu den Angeklagten wegzureden. Was nicht ganz leicht ist, wenn man seit Jahren mit dem mutmaßlichen Rädelsführer Reuß einen durchaus vertrauten Umgang pflegt. Und wenn man sich zweimal mit einer Delegation der Möchtegern-Umstürzler*innen getroffen hat.

Den neun Männern und Frauen im Frankfurter Prozess wird vorgeworfen, einen Putsch in Deutschland geplant zu haben: mit einem Angriff auf den Bundestag, mit dem Aufbau bewaffneter »Heimatschutzkompanien«, mit Mord und Totschlag. Weitere 17 Angeklagte müssen sich in Parallelverfahren in München und Stuttgart verantworten. Laut Anklage der Bundesanwaltschaft soll Markus Krall ein Wunschkandidat für das Ressort »Wirtschaft und Finanzen« in der designierten Putschregierung gewesen sein, dem von Reuß geführten »Rat«. Doch er war offenbar klug genug, sich nicht darauf einzulassen.

Die beiden Treffen? »Ich wurde gefragt, was ich tun würde, wenn ich Verantwortung in Deutschland hätte«, sagt Krall. Aber das sei für ihn nichts Ungewöhnliches – schließlich habe er über seine wirtschaftspolitischen Vorstellungen mehrere Bücher geschrieben. »Ich habe dem begrenzte Bedeutung beigemessen.«

Der promovierte Volkswirt lebt davon, immer wieder den angeblich kurz bevorstehenden Zusammenbruch des Währungssystems vorherzusagen – und als Ausweg die Investition in Gold anzupreisen, das er praktischerweise selbst verkauft, früher als Geschäftsführer der Degussa Goldhandel von Milliardär und AfD-Förderer August von Finck, heute als selbstständiger Unternehmer in der Schweiz.

Er hat aber auch eine politische Vision: Krall will wie Argentiniens Präsident Javier Milei die Kettensäge ansetzen und Deutschland zu einem Minimalstaat zurechtstutzen, in dem faktisch das Recht des Stärkeren gilt und Empfänger*innen von Sozialleistungen das Wahlrecht verlieren. Er hält das für verfassungskonform. Nachdem er daran gescheitert war, die Werteunion auf diesen Kurs zu bringen, versucht er es jetzt mit der rechtskonservativen Kleinpartei »Bündnis Deutschland«. Das Ziel: eine Regierungsmehrheit mit der AfD.

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Mit Prinz Reuß, sagt der Pandemie- und Klimawandelleugner zunächst, habe er sich vielleicht ein- bis zweimal im Jahr getroffen – rein beruflich. Als ihm vorgehalten wird, dass im Kalender des Frankfurter Immobilienunternehmers weitaus mehr Termine stehen und dass er Reuß unter anderem auch seinen rechtslibertären Verfassungsentwurf geschickt hat, räumt er ein: Das könne schon auch sein. Seit einer Gehirnblutung sei sein Gedächtnis nicht mehr so gut, leider.

Mails und Chats, die nahelegen, dass er über die Pläne der Angeklagten möglicherweise doch etwas mehr gewusst haben könnte, habe er »nicht so genau« gelesen, sagt er. »Ich erhalte 100 bis 200 Mails am Tag.«

Nicht einmal von einer Reichsbürger-Ideologie will er bei seinem adligen Bekannten etwas bemerkt haben. Dabei zählte er am 9. November 2020 zu einem handverlesenen Kreis von Gästen, als Prinz Reuß in seinem thüringischen Jagdschloss die »Wiederherstellung der Fürstentümer Reuß als Bundesstaaten im Deutschen Reich« proklamierte. Krall sprach dabei einleitend ein wohl von ihm selbst verfasstes Schwulstgedicht: »Gebet vor dem Gefecht«. Vor Gericht nennt er die Veranstaltung nun ein »Kulturevent«.

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