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Ermittlungen gegen JVA-Beamte nach Suizid eines 15-Jährigen
Anstalt verlegt angebliche Rädelsführer von Knastprotest in andere Gefängnisse
Nach dem Suizid eines 15-jährigen Gefangenen in der JVA Ottweiler im Saarland laufen verschiedene Ermittlungen gegen Justizvollzugsbeamte. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken bestätigte gegenüber »nd«, dass im Zusammenhang mit dem Todesfall zwei Prüfungsverfahren eingeleitet wurden. Damit soll einem Anfangsverdacht »hinsichtlich etwaiger Körperverletzungen zu Lasten des verstorbenen Inhaftierten« nachgegangen werden.
Der Minderjährige hatte sich am Freitag das Leben genommen. In Beiträgen auf Tiktok wird behauptet, er sei wegen zwei Diebstählen in Untersuchungshaft gewesen. Sein Name wird mit Nelson angegeben, seine Hautfarbe sei schwarz. Unmittelbar vor seinem Suizid sei er wegen Diebstahls von Süßigkeiten aus einer Nachbarzelle von Justizbeamten getreten und geschlagen worden.
Am Tag danach weigerten sich 17 nach Jugendstrafrecht verurteilte Gefangene aus Protest, nach der Freistunde in ihre Hafträume zurückzukehren. »Daher wurde die Polizei angefordert, um in Amtshilfe und in enger Kooperation mit Kräften der JVA die Verbringung der Gefangenen in ihre Hafträume durchführen zu können«, so das Justizministerium zu »nd«.
Fast alle Insassen seien schließlich »durch Gespräche zur Rückkehr in ihre Hafträume bewegt« worden. Ein 19-Jähriger sei jedoch auf das Dach eines Gebäudes geklettert und habe sich dort unkooperativ verhalten. Mithilfe von Spezialkräften sowie geschulten Verhandlern sei es gelungen, den Mann zur Aufgabe zu bewegen.
Auch im Rahmen dieses Polizeieinsatzes erhoben Inhaftierte Körperverletzungsvorwürfe gegen zwei JVA-Beamte. Die Polizeiinspektion Neunkirchen leitete daraufhin drei Ermittlungsverfahren ein, bestätigte die Staatsanwaltschaft.
Das Justizministerium ergriff nach den Vorfällen aber auch Maßnahmen gegen die Protestierer: Zwei »Rädelsführer« seien ausfindig gemacht und »im Wege der Sicherheitsverlegung« in eine andere Anstalt gebracht worden. Welche weiteren Gefangenen sich beteiligt haben, werde derzeit untersucht. Freistunden fänden »bis auf Weiteres« nur noch in kleineren Gruppen statt. Ein Sportgerät, mit dessen Hilfe der 19-jährige Gefangene auf ein Anstaltsdach klettern konnte, sei bereits am selben Tag entfernt und die Aufstiegsstelle »dauerhaft gesichert« worden.
Zur Medienberichterstattung verwies das Justizministerium gegenüber »nd« auf Richtlinien des Pressekodex: Bei einer Berichterstattung über Suizid seien insbesondere bei Heranwachsenden »Nachahmungshandlungen« nicht auszuschließen. Mit Verweis auf den Schutz des laufenden Verfahrens sowie den postmortalen Persönlichkeitsschutz wollte das Ministerium wie auch die Staatsanwaltschaft keine weiteren Auskünfte erteilen.
Justizstaatssekretär Jens Diener (SPD) kündigte an, das Ministerium werde im Rechtsausschuss des Landtags »über die Vorgänge und den Stand der Aufklärung informieren«. In den Ermittlungen zum Tod des 15-Jährigen in der JVA müsse auch »die Frage einer möglichen rassistischen Motivation des Umgangs mit den Jugendlichen« aufgearbeitet werden, forderte der Linke-Landesvorsitzende Florian Spaniol. Und mahnte Reformen im Strafvollzug an: »Wir brauchen bessere Suizidprävention, psychische Betreuung und unabhängige Kontrolle – Wegsehen darf keine Option sein.«
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