- Politik
- EU-Grenzagentur
Frontex wird deutlich größer
EU-Grenzagentur richtet erstmals regionale Kommandos ein und soll mit neuer Verordnung wachsen
Die EU-Grenzagentur Frontex organisiert ihre operative Leitung grundlegend neu. Mit dem Aufbau neuer regionaler Kommandos verlagert die Behörde demnach erstmals Teile ihres Einsatzmanagements aus der Zentrale auf die regionale Ebene. Diese sind dann für alle Einsatzarten zuständig – an Land, zu Wasser und in der Luft. Zukünftig soll es neun solcher geografischen Einsatzbereiche geben. Zwei erste Regionalkommandos wurden dieses Jahr in Prag und Tallinn eröffnet.
Die Kommandos dienen der Verzahnung der sogenannten Ständigen Reserve, der eigenen Eingreiftruppe der Agentur, mit Kräften der einzelnen EU-Staaten. Frontex beschreibt die Reform deshalb als Schritt zu einer »hierarchischen Struktur im Feld«.
Nach Angaben der Kommission verfügte diese neue bewaffnete Frontex-Truppe Ende März 2025 über 6757 Angehörige. Sie wird bis 2027 auf 10 000 Einsatzkräfte anwachsen. Gemäß einer politischen Vorgabe der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen soll sie anschließend auf bis zu 30 000 Bedienstete ausgebaut werden.
In Prag entstand das erste regionale Hauptquartier der »Ständigen Reserve«, das den sechsten geografischen Einsatzbereich abdeckt. Es ist zuständig für Länder wie Deutschland, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Tschechien, Dänemark und die Schweiz. Im Juli folgte für den siebten Regionalbereich das Zentrum in Tallinn, es fokussiert die skandinavischen EU-Staaten.
Die jeweiligen Kommandoteams übernehmen Personalplanung, Einsatzfreigaben und die Führung der »Ständigen Reserve« im jeweiligen Verantwortungsgebiet. Die operative Verantwortung verbleibt formal bei den Behörden der Mitgliedstaaten, doch Frontex schafft damit eine neue Zwischenebene zwischen nationaler und zentraler Steuerung.
Die Reform ist Teil der größeren Neuordnung der Verantwortungsbereiche bei Frontex. Seit 2019 baut die Agentur in Warschau etwa ein »Europäisches Rückkehrzentrum« auf, das Abschiebungen aus den EU-Staaten koordinieren und erleichtern soll. Dazu werden aus Warschau Reisedokumente für die Betroffenen beschafft und Kontakte zu den Behörden der Zielländer für die Abschiebungen gepflegt. Das »Rückkehrzentrum« wird vom ehemaligen Bundespolizisten Lars Gerdes geleitet, der zuvor die Ausbildungsmission der Bundespolizei in Afghanistan geführt hatte.
Fast alle Abschiebungen erfolgen per Flugzeug, begleitet von eigens geschulten Frontex-Beamt*innen der »Ständigen Reserve«. Diese sind an mehreren europäischen Flughäfen stationiert – derzeit in Paris, Amsterdam, Wien, Frankfurt, Düsseldorf und Berlin-Brandenburg. Auch diese Einheiten werden ausgebaut und den neuen Regionalzentren untergeordnet. Frontex bezeichnet sie als »Rückkehrkontingente« R1 und R2.
Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.
Frontex begründet die neue Regionalstruktur mit dem Ziel, schneller auf »operative Bedürfnisse« reagieren zu können. Mit Kommandos wie in Prag will die Agentur Personal, Technik und Einsätze direkter steuern. Bis Ende 2025 sollen sechs der neun geografischen Kommandobereiche vollständig arbeitsfähig sein, der Aufbau weiterer Standorte läuft.
Parallel dazu bereitet die EU-Kommission eine umfassende Revision der Frontex-Verordnung von 2019 vor. Sie soll den Ausbau der Agentur rechtlich absichern und ihr Mandat erweitern. Ein entsprechendes Konsultationsverfahren läuft seit Sommer 2025. Zu den Vorschlägen gehört, Frontex mehr operative Eigenständigkeit zu geben, insbesondere bei Rückführungen und der Kooperation mit Drittstaaten.
Künftig sollen nach Vorstellungen der Kommission auch Abschiebungen zwischen Drittstaaten durch Frontex unterstützt werden können, also etwa die Verbringung von Menschen aus Transit- in Herkunftsstaaten außerhalb der EU.
Damit würde sich das Einsatzgebiet der Agentur über die europäischen Grenzen hinaus weiter ausdehnen. Der geplante Ausbau der »Ständigen Reserve« auf 30 000 Einsatzkräfte ist Teil dieser Strategie. Ob und wie das Parlament die Kontrolle über diese erweiterte Struktur wahrnehmen kann, ist bislang offen. Unklar ist auch, wie die weiteren Kosten einer derart umfassenden Aufrüstung der EU-Grenzagentur getragen werden sollen. Dieses Jahr durchbricht der jährliche Frontex-Haushalt die Milliardenmarke.
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser*innen und Autor*innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.