• Sport
  • World Darts Federation

Transfeindlichkeit im Darts: WTF WDF?

Die World Darts Federation schließt trans Frauen von Wettbewerben aus und widerspricht dadurch der Logik und sich selbst

  • Johann Caspar Nilius
  • Lesedauer: 5 Min.
Noa-Lynn van Leuven gehört zu den besten Spielerinnen der Welt – bei der WM der Frauen ist sie künftig außen vor.
Noa-Lynn van Leuven gehört zu den besten Spielerinnen der Welt – bei der WM der Frauen ist sie künftig außen vor.

Im Darts treten Männer und Frauen in den gleichen Wettbewerben an. Vor fünf Jahren dominierte Dartspielerin Fallon Sherrock die Schlagzeilen der Sportberichterstattung, weil sie als erste Frau bei der Weltmeisterschaft gegen einen Mann gewonnen hatte. Männer haben gegenüber Frauen in physischer Hinsicht keine offensichtlichen Vorteile, wenn sie die durchschnittlich 22 Gramm schweren Pfeile werfen. Darts ist in erster Linie ein Mentalsport. Im Durchschnitt jedoch spielen die weiblichen Dartsprofis nicht auf dem gleichen Level wie ihre männlichen Kontrahenten. Das ist strukturell bedingt, denn deutlich mehr Männer üben den Sport aus, kommen meist früher mit ihm in Kontakt, sodass sie früher anfangen zu spielen und früher gefördert werden. Deswegen finden exklusive Frauenturniere statt.

Noa-Lynn van Leuven gehört zu den besten Spielerinnen ihres Sports. Doch bei der Weltmeisterschaft der Frauen darf sie künftig nicht mehr antreten. Denn van Leuven ist eine trans Frau, biologisch als Junge geboren – und deswegen seit dem 28. Juli offiziell von Turnieren der World Darts Federation (WDF) ausgeschlossen.

WDF widerspricht sich selbst

Zur Einordnung: Die WDF ist nach der Professional Darts Corporation (PDC) nur der zweitwichtigste Dartsverband für Frauenwettbewerbe, jedoch der einzige Dartsverband, der eine eigene Weltmeisterschaft für Frauen veranstaltet. Die PDC veranstaltet finanziell lukrativere Turniere für Frauen, jedoch keine exklusive WM. Stattdessen reserviert die PDC vier Startplätze für Frauen bei der WM, die für alle Geschlechter offen ist. Dafür qualifizieren sich die weiblichen Dartsspielerinnen über die Women’s Series der PDC. Die weiteren Qualifikationswege stehen allen Geschlechtern offen. Bei der PDC dürfen auch trans Athletinnen weiterhin in Frauenwettbewerben antreten, bei der WDF nun nicht mehr – dabei äußerte der Verband im April noch das Gegenteil: »Bis klarere Studien zu den visuell-räumlichen Unterschieden (bei trans Frauen) vorliegen, wird die WDF weiterhin transgender Athletinnen die Teilnahme an Ranglistenturnieren für Frauen gestatten«, schrieb der Verband auf seiner Website. Die besagten Studien gibt es bis heute nicht. Trotzdem entschied sich der Verband für die Kehrtwende.

Noa-Lynn van Leuven äußerte ihre Enttäuschung auf Instagram: »Die Entscheidung trifft mich persönlich, aber in diesem Moment dankenswerterweise nicht mehr ganz so hart.« Die wichtigeren Turniere der PDC kann sie weiterhin spielen, Ende Oktober steht die Entscheidung zur WM-Teilnahme an. »Trotzdem tut es weh«, schreibt die Niederländerin. Die Entscheidung sei eine weitere Niederlage für die trans Gemeinde im Sport. »Das bricht mein Herz.« Gleichzeitig macht sie anderen trans Athletinnen Mut: »Wir bleiben sichtbar. Wir machen weiter.«

Hass und Widerstände

Es ist nicht der erste Widerstand, dem van Leuven in ihrer Karriere begegnet ist. Erst einige Tage vor der WDF-Entscheidung spielte die 28-Jährige das Womens World Matchplay in Blackpool, eine Veranstaltung der PDC. Dabei protestierten drei Frauen im Publikum gegen van Leuvens Teilnahme und riefen ihr diskriminierende Beleidigungen zu; eine von ihnen hielt ein Plakat mit der Aufschrift »Er ist ein Mann« hoch. Die Gruppe wurde von der Security aus dem Saal beordert, PDC-Geschäftsführer Matt Porter wütete: »Der Abschaum, der Noa-Lynn entgegengeschleudert wurde, ist völlig inakzeptabel.« Die Spielerin selbst reagierte gelassen: »Ich liebe dieses Spiel zu sehr, warum sollte ich mir von irgendwem meine Leidenschaft für den Dartssport ruinieren lassen?«

Immer wieder muss sich van Leuven mit Hass auseinandersetzen. Aus dem Netz gab es Morddrohungen gegen sie, sodass sie gestand, sich in der Öffentlichkeit teils unwohl gefühlt zu haben, aus Angst, die Bedroher könnten in der Nähe sein. Während männliche Dartsprofis ihre Unterstützung zum Ausdruck brachten, gibt es unter den Frauen immer wieder Widerstand gegen van Leuven: Die englische Dartsspielerin Deta Hedman verweigerte die Teilnahme an einem Spiel gegen van Leuven. Anca Zijlstra und Aileen de Graaf traten aus Protest gegen ihre Landsfrau aus dem niederländischen Nationalteam zurück.

Einige der Vorwürfe konnte van Leuven 2024 bereits entkräften: »Manchmal wird mir vorgeworfen, dass ich aufgrund meiner Körpergröße Vorteile hätte. Aber schauen Sie sich Phil Taylor an.« Der Brite gilt als bester Dartsprofi aller Zeiten, gewann sechzehn Weltmeisterschaften und viele andere Titel. Mit einer Größe von 1,73 Meter ist der Brite jedoch kleiner als die meisten seiner Gegner. Auch der aktuell beste Spieler, Luke Littler, ist mit 1,75 Meter nicht viel größer. Weiter erklärte van Leuven, es gebe Leute, die mit einer Untersuchung aus dem Handball kämen, wonach es zwischen Männern und Frauen Unterschiede im Wurf gäbe, konkret beim Rückschwung und bei der Ausfallschritt-Bewegung. »Also, als ich das letzte Mal Darts gespielt habe, habe ich weder einen Rückschwung noch einen Ausfallschritt gemacht. Es ist fucking Darts. Worüber reden wir?«

- Anzeige -

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.