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Widerstand gegen Trump - »Schmutziger Bruch«
Die Democratic Socialists of America debattieren über ihre Rolle im Widerstand gegen Trump und ihr Verhältnis zu den Demokraten
Schon das Motto der Convention – »Rebirth and Beyond« (Wiedergeburt und darüber hinaus) – macht deutlich, dass es bei den Demokratischen Sozialist*innen nicht immer glatt zugeht. Nach Jahren schnellen Wachstums, einer darauffolgenden Flaute, interner Spannungen und strategischer Unsicherheit will man sich nun um eine Neuorientierung bemühen.
Bis vor wenigen Tagen war Anträgen Vorrang eingeräumt worden, die auf Interna abzielten: Welche Kampagnen sollen priorisiert werden? Welche Rolle sollen Kongresswahlen für die Organisation spielen? Wie soll das Verhältnis der DSA zu von ihr unterstützten Amtsträger*innen aussehen? Wie umgehen mit dem Druck rechter und zentristischer Demokraten?
Die DSA ist keine Partei im klassischen Sinn, sondern eine von den US-Demokraten unabhängige politische Dachorganisation mit über 80 000 Mitgliedern. Ihr derzeit bekanntestes Mitglied wurde in New York kürzlich zum Bürgermeisterkandidaten der Demokratischen Partei gewählt: Zohran Mamdani.
Die DSA unterstützt sowohl linke Kandidaturen innerhalb der Demokraten als auch außerparlamentarische Bewegungen.
Doch Anfang der Woche stellten sich Hunderte Mitglieder per Unterschrift hinter einen neuen Geschäftsordnungsantrag, der die Innenschau kritisiert und eine klare politische Positionierung anmahnt: »Wir durchleben gerade die größte politische Krise der modernen amerikanischen Geschichte«, heißt es darin. »So wie es aussieht, wird es nach dem Willen der DSA-Führung vermutlich überhaupt keine Debatte über unser Vorgehen gegen die Trump-Regierung geben. Das muss sich ändern.« Priorität eingeräumt werden sollen der Diskussion über den Genozid in Gaza und der Verteidigung von Transrechten und körperlicher Unversehrtheit über den Kampf für eine ökosozialistische Zukunft und den »Widerstand gegen die faschistische Trump-Regierung«.
Über Letztere gehen die Einschätzungen weit auseinander. Paul Garver, der 1982 die DSA mitgründete, äußert im Gespräch mit dem nd, die Organisation habe sich »noch nicht auf eine gemeinsame Analyse geeinigt – weder darüber, wie man die MAGA- und Trump-Bewegung verstehen, noch darüber, wie man sie effektiv bekämpfen kann«. Überraschend sei das für eine große Dachorganisation mit unterschiedlichen politischen Strömungen allerdings nicht, so Garver.
Bei den jüngsten Massenprotesten gegen die Trump-Regierung war von den DSA als landesweiter Organisation allerdings wenig zu sehen.
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Eröffnet wird die »Convention« von der Detroiter Kongressabgeordneten Rashida Tlaib. Die Demokratin ist DSA-Mitglied und einzige Palästinenserin in der unteren Kammer des US-Parlaments. Als Gäste geladen sind erstmals auch Vertreter*innen linker Parteien – unter anderem aus Brasilien, Frankreich, Spanien, Argentinien und Belgien. Schließlich wählen die Delegierten ein neues Leitungsgremium, das National Political Committee (NPC), das mit dem Parteivorstand der deutschen Linkspartei vergleichbar ist, allerdings einen größeren Bewegungsauftrag besitzt.
Ob es tatsächlich zur Neuorientierung kommt, wird von der Zusammensetzung des neuen NPC abhängen. Seit 2023 ist häufig von einer Lähmung der Organisation auf US-Ebene die Rede gewesen – was DSA-Mitgründer Paul Garver so zusammenfasst: »Es gibt einen ultralinken Block von Strömungen, der die DSA in eine Art Avantgardepartei ohne jeglichen ›reformistischen‹ Einfluss umformen will.« Die drei Strömungen nennen sich Red Star, Marxist Unity Group und Communist Caucus. Aus ihrer Sicht, so Garver, gebe es keinen wesentlichen Unterschied zwischen MAGA und den Demokraten – »und deswegen auch keine Notwendigkeit, eine breite antifaschistische Koalition mit anderen progressiven Kräften aufzubauen«.
Ihnen gegenüber steht laut Garver im NPC der »massenpolitisch ausgerichtete« Block aus den Strömungen Socialist Majority und Groundwork. Dieser sei stärker darauf fokussiert, Trumps MAGA-Projekt direkt entgegenzutreten und die DSA als inklusive Organisation zu verstehen, die durch Wahlkämpfe und thematische Kampagnen gesellschaftliche Macht entwickeln könne. Zwischen den beiden Blöcken stehe eine weitere Fraktion namens »Bread and Roses«.
Tatsächlich war von der DSA als landesweiter Organisation bei den jüngsten Massenprotesten gegen die Trump-Regierung wenig zu sehen – weder bei den »Hands-Off«-Kundgebungen im April noch bei den »No-Kings«-Demonstrationen am 14. Juni, Trumps 79. Geburtstag, als in mehr als 2300 Ortschaften bis zu zehn Millionen Menschen zusammenkamen. Auch am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli – zugleich der Tag der Verabschiedung des Sozialabbaugesetzes »One Big Beautiful Bill« – wurde in Hunderten von Städten gegen die Immigrationspolizei ICE, Sozialabbau und den erstarkenden Autoritarismus demonstriert. Organisiert wurden die Proteste von den internetbasierten Gruppen »Indivisible« und »50101«, unterstützt von lokalen NGOs, Bürgerrechtsinitiativen und unzufriedenen Aktivist*innen der Demokraten. Das DSA-Leitungsgremium konnte sich in keinem Fall zur Mitorganisation und offiziellen Teilnahme durchringen. Auf lokaler Ebene jedoch mobilisierten einzelne DSA-Gruppen.
Im Vorfeld der DSA-Convention publizierte der Gewerkschafter David Duhalde, langjähriges Mitglied der DAS, eine umfangreiche Analyse zur Geschichte der Organisation. Duhalde sagt voraus, dass sich an der gewerkschaftsorientierten Politik der DSA nichts ändern werde. Konsens herrsche zudem bei den meisten Strömungen darüber, dass sich DSA organisatorisch umformieren müsse, um sich mehr Unabhängigkeit von der Demokratischen Partei zu erarbeiten, gerade in Wahlkämpfen. Seit der Convention 2019 verfolge »eine DSA-Mehrheit ... eine Strategie des sogenannten schmutzigen Bruchs, bei der Kandidaturen innerhalb der Demokraten genutzt werden sollen, um langfristig eine unabhängige sozialistische Partei aufzubauen«.
Scharfe Kontroversen erwartet Duhalde allerdings hinsichtlich des Wie: »Dahinter verbergen sich tiefgehende Differenzen über Struktur und Verhältnis zu gewählten Amtsträger*innen.« Fast ein Viertel der diesjährigen Anträge dreht sich um Wahlstrategie, Parteiaufbau und den Umgang mit Mandatsträger*innen. Darunter befinden sich auch Forderungen nach Disziplinarmaßnahmen und dem Ausschluss der Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, die 2018 als erstes DSA-Mitglied über die Demokraten ins Washingtoner Parlament gewählt worden war. Vorgeworfen wird ihr von linken Kritiker*innen, sie und Bernie Sanders hätten sich im Gaza-Krieg nicht eindeutig genug auf die palästinensische Seite geschlagen.
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