- Kultur
- Daniela Klette
Der Vernehmungsdrang des BKA
Wer in Kontakt zur inhaftierten Daniela Klette tritt, muss sich auf einiges gefasst machen
Seit März steht die im Frühjahr 2024 in Berlin-Kreuzberg festgenommene Daniela Klette vor Gericht, seit einiger Zeit in einem eigens umgebauten, überdimensionierten Reitstall in Verden. Ihr und ihren angeblichen Mitstreitern, den steckbrieflich (mitsamt Fotos der von ihnen vermeintlich Gassi geführten Hunde) gesuchten Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, wird vorgeworfen, bei 13 Geldbeschaffungsaktionen insgesamt 2,7 Millionen Euro an sich genommen zu haben.
In einem Interview der »Legal Tribune Online« sagte Klettes Anwalt Lukas Theune, die Präsenz seiner Mandantin sei an keinem der Tatorte nachgewiesen. Neben der Anklage des Landgerichts Verden wartet auf Daniela Klette möglicherweise noch ein weiteres Verfahren. Die Bundesanwaltschaft wirft ihr versuchten Mord in zwei Fällen sowie Mittäterschaft bei Sprengstoffexplosionen vor, angeblich begangen von der Roten Armee Fraktion in der Zeit zwischen Februar 1990 und März 1993. Theune äußerte seine Zweifel, dass es deswegen jemals eine Anklageschrift geben werde: »Nach meinem Eindruck ist die Beweislage da ebenfalls äußerst dünn.«
Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.
Und weil dies so ist, halten sich Bundesanwaltschaft und Bundeskriminalamt an Personen, die Daniela Klette Briefe schreiben oder sie in der JVA Vechta besuchen bzw. dies tun wollten, doch mit einem Verbot belegt wurden. In naher Zukunft sollen vier Personen vom BKA vernommen werden. Einer Frau aus Bremen und einer Frau aus Hamburg waren bereits im letzten Jahr Zeugenvorladungen ins Haus geflattert, nachdem sie im Herbst 2024 ein Besuchsverbot bei Klette erhalten hatten. Beide verweigerten die Aussage und mussten Anfang 2025 eine Ordnungsstrafe von jeweils 500 Euro zahlen. Beide Frauen wollen auch diesmal die Aussage verweigern. Dann droht ihnen ein höheres Ordnungsgeld oder gar Beugehaft bis zu sechs Monaten.
In Basel und Düsseldorf sind zwei weitere Personen zur Vernehmung durch das BKA geladen, obwohl dort bekannt ist, dass sie krank sind – der eine lungen-, der andere herzkrank. Die entsprechenden Befunde der behandelnden Ärzte ignoriert das BKA. Wirksam, weil objektiv, sei nur das Ergebnis einer amtsärztlichen Untersuchung. Diese war für den in Düsseldorf Wohnenden für den 7. August angesetzt; und die Vernehmung, für die bislang keine rechtlich korrekte Vorladung erging, soll bereits eine Woche später erfolgen. Wie ein etwaiger Widerspruch gegen den amtsärztlichen Befund in einer Woche kompetent gewürdigt werden soll, bleibt das Geheimnis der Bundeskriminalbeamten.
Zudem kommt laut Bundesverwaltungsgericht der medizinischen Beurteilung des Amtsarztes kein unbedingter, sondern nur ein eingeschränkter Vorrang vor der Beurteilung des behandelnden Haus- oder Facharztes zu, wenn beide Beurteilungen hinsichtlich desselben Krankheitsbildes voneinander abweichen. Ein unbedingter Vorrang wäre mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nicht zu vereinbaren. Danach bestehe keine generelle Rangordnung der Beweismittel; diese seien grundsätzlich gleichwertig.
Es stellt sich überdies die Frage, ob die Vernehmungsabsichten des BKA überhaupt rechtens sind. Die Grundlage hierfür wäre der begründete Verdacht, dass eine Straftat begangen oder vorbereitet wurde. Briefe an Daniela Klette oder Besuche bei ihr in der JVA Vechta stellt das BKA – »eine Institution, die ein kaum vergleichbares Erkenntnisprivileg besitzt«, so einst BKA-Präsident Herold – offenbar unter diesen Verdacht.
Es ist nicht davon auszugehen, dass der oberste Herr über diese Vorgänge, Bundesinnenminister Alexander Dobrindt, dem BKA-Treiben Einhalt gebieten wird. Der einst medial als »Krawallmacher« bezeichnete Dobrindt, »der aus nur schwer nachvollziehbaren Gründen weiterhin eine politische Rolle spielen darf«, hat am 7. Mai 2025 die Bundespolizei angewiesen, auch Schutzsuchenden bei Binnengrenzkontrollen die Einreise basierend auf Paragraf 18 Abs. 2 Nr. 1 Asylgesetz zu verweigern und diese in den jeweiligen angrenzenden Staat zurückzuweisen. Zurückzuweisen durch die liberalen Reste der Zivilgesellschaft und eine doch fest dem Legalismus verpflichtete Linke wären wiederum die Vernehmungsabsichten des Bundeskriminalamtes.
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.