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Üppige Konzerngewinne trotz Krise
Die Rezession in Deutschland spielt für die meisten deutschen Großunternehmen kaum eine Rolle
Weniger Aufträge für die Industrie, Geschäftsklima in der Chemiebranche deutlich verschlechtert, deutsche Exporte sinken weiter – an schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft fehlt es in diesen Tagen wahrlich nicht. Doch was sagen diese aus? Ein Blick auf die aktuellen Geschäftszahlen der großen Konzerne im Deutschen Aktienindex (Dax) gibt ein weniger eindeutiges Bild.
»Katerstimmung herrscht im Autoland«, titelte kürzlich eine Tageszeitung. Oberklassehersteller hätten im ersten Halbjahr einen deutlichen Gewinnrückgang verbucht. Das Ergebnis von Mercedes sank um 55 Prozent, jenes von Porsche sogar um rund 70 Prozent. Und auch der Massenhersteller Volkswagen klagt über einen Gewinneinbruch von gut einem Drittel.
Die Bilanzzahlen lassen sich allerdings auch weniger dramatisch lesen, als es manche Schlagzeilen nahelegen. Es geht um Rückgänge bei Gewinnen, nicht um Verluste. Volkswagen – mit Toyota der weltgrößte Autohersteller – machte im ersten Halbjahr 2025 nach Abzug von Steuern einen Gewinn von 4,5 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis von Mercedes beträgt immerhin noch 2,7 Milliarden Euro, und der Sportwagenbauer Porsche erwirtschaftete einen Gewinn von 718 Millionen Euro.
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Automobil- und Chemieindustrie unter Druck
Bilanzen mit Goldrand sind das aus Sicht der Führungsetagen und der Betriebsräte allerdings nicht. US-Zölle und der stärkere Euro bremsen die Exporte. Ein nachhaltiges Problem stellt die wachsende Konkurrenz chinesischer Hersteller dar, die auf dem weltgrößten Automarkt, nämlich der Volksrepublik, immer höhere Marktanteile erobern. Die klassischen Marken deutscher Autobauer, die alle in China produzieren, haben in den vergangenen Jahren dort an Attraktivität verloren. Und auch der politik-getriebene Dauerbrenner E-Auto belastet die Bilanzen. Die milliardenschweren Investitionen zahlen sich, trotz üppiger staatlicher Subventionen in die Elektromobilität, bislang nicht aus.
Unter der E-Unlust der Verbraucher leiden allerdings vor allem die Zulieferer, die ihre Produktion kostspielig umgestellt haben und denen es nun an Nachfrage der Autokonzerne mangelt. Industriegiganten wie Bosch, ZF Group, Mahle, Schäffler und Continental fahren Werke herunter und streichen Stellen. Seit 2019 hätten Zulieferer rund 50 000 Stellen abgebaut, heißt es bei der IG Metall.
Für den Chemiekonzern BASF sind die ersten sechs Monate ebenfalls nicht besonders gut gelaufen. Im Vergleich zum Vorjahresumsatz sank der Umsatz. Und der Gewinn nach Steuern belief sich auf 887 Millionen Euro, nach 1,8 Milliarden Euro im Vorjahreszeitraum. Als Gründe nennt BASF sinkende Preise in einigen Segmenten, steigende Kosten für Rohstoffe und »negative Effekte durch Währungen«. Da der Dollar schwächelt, der meiste Umsatz aber in Dollar gemacht wird, fällt die Euro-Bilanz schlechter aus, als die Lage wirklich ist. Wie beim Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer sind weite Teile der Produktion extrem energieintensiv. Die seit dem EU-Embargo gegen Russland hohen Energie- und Strompreise belasten daher die ganze Branche.
Energie- und Logistikkonzerne profitieren
Davon profitiert mittelbar der Energietechnikkonzern Siemens Energy. Der Münchner Konzern meldet Rekorde bei den Auftragseingängen, vor allem in den Sparten Stromnetze und Gaskraftwerke. Im Juni konnte Siemens Energy sogar Bundesbürgschaften in Höhe von 7,5 Milliarden Euro ablösen, früher als von Analysten erwartet.
Die Deutsche Bank hat ihren Gewinn im ersten Halbjahr mehr als verdoppelt: auf 3,7 Milliarden Euro nach Steuern. Hierbei spielten steigende Aktienkurse an den internationalen Börsen eine wichtige Rolle. Erfolgreich sind auch die deutschen Versicherer. Die Allianz vermeldete in dieser Woche Rekordgewinne. Wie der Rückversicherer Munich Re profitierte die Allianz von geringeren Katastrophenschäden und steigenden Prämien. Eine verunsicherte Gesellschaft kauft offenbar Versicherungspolicen wie nie.
Wie geschmiert liefen im ersten Halbjahr ebenfalls die Geschäfte von DHL, einem der weltgrößten Logistikkonzerne. Und auch der Deutschen Telekom, deren Konzernüberschuss sich deutlich um ein Drittel auf 5,5 Milliarden Euro erhöhte, wie der Telefonriese am Donnerstag meldete. Mittlerweile macht die Telekom über drei Viertel ihrer Erlöse im Ausland, überwiegend in den USA.
Der Auslandsanteil am Umsatz ist indes bei fast allen Dax-Konzernen beträchtlich. Daher sind Rückschlüsse auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft nur bedingt möglich. Dabei liegt mehr als jede zweite Aktie im Dax in ausländischen Depots, davon die Hälfte in Nordamerika. Die Berater von EY zählten für 2024 bei mindestens 24 der 40 Dax-Unternehmen eine ausländische Aktionärsmehrheit. Diese Unternehmen schütteten zuletzt gut 54 Milliarden Euro an Dividenden aus. Die Gesamtsumme lag damit um nur 0,2 Prozent unter dem Rekordwert des Vorjahres. Ein ähnliches Ergebnis kann für 2025 erwartet werden. Wer also nach Erklärungen für die lang anhaltende Rezession in der deutschen Wirtschaft sucht, muss offenbar weniger auf die Dax-Giganten schauen als auf Mittelstand und Handwerk.
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