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  • Abkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan

Frieden im Südkaukasus?

Ein sogenannter Trump-Korridor soll Armenien und Aserbaidschan aussöhnen

  • Bernhard Clasen
  • Lesedauer: 4 Min.
US-Präsident Donald Trump (Mitte), der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev (links) und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan geben sich nach der Unterzeichnung eines Abkommens im State Dining Room des Weißen Hauses in Washington, DC, am 8. August 2025 die Hand.
US-Präsident Donald Trump (Mitte), der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev (links) und der armenische Premierminister Nikol Pashinyan geben sich nach der Unterzeichnung eines Abkommens im State Dining Room des Weißen Hauses in Washington, DC, am 8. August 2025 die Hand.

Nach einer mehr als 36 Jahre währenden Feindschaft, die von Pogromen, Hass, Kriegen und Vertreibungen geprägt waren, haben am Freitag der Präsident von Aserbaidschan, Ilham Aliew und sein armenischer Counterpart, der armenische Premierminister Nikol Paschinjan in Washington im Beisein von US-Präsident Donald Trump ein geradezu sensationelles Abkommen unterzeichnet, in dem sie ihrem Willen zu einem dauerhaften Frieden und guten nachbarschaftlichen Beziehungen Ausdruck verleihen.

Gleichzeitig einigten sie sich auf einen freien Transitverkehr zwischen Aserbaidschan und seiner Exklave Nachitschewan. Diese 42 Kilometer lange Route direkt an der armenisch-iranischen Grenze, die den Namen »Trump Route for International Peace and Prosperity« (TRIPP) tragen soll, von der aserbaidschanischen Seite als »Korridor« bezeichnet, war jahrelanger Streitpunkt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Während Aserbaidschan einen ungehinderten Transport durch die armenische Region Sangesur wollte, wollte Armenien nur einen Transit gewähren, der von Armenien kontrolliert werden dürfe. Nun, so das jüngste Abkommen, hat man sich auf eine 99-jährige Kontrolle dieser geplanten Route durch ein von den USA zu beauftragendes Konsortium geeinigt.

Russland und der Iran sind die Verlierer

Verlierer dieser armenisch-aserbaidschanischen Einigung sind vor allem Russland und der Iran. War Russland noch 2020 federführend in der armenisch-aserbaidschanischen Vermittlung, ist es nun draußen aus dem Prozess. Und das dürfte Russland, das Truppen in Armenien stationiert hat, genauso missfallen, wie die geplanten gemeinsamen US-amerikanisch-armenischen Manöver vom 12. bis 20. August in Armenien. Für den inhaftierten früheren Präsidenten Georgiens, Micheil Saakaschwili, werde der armenisch-aserbaidschanische Gipfel in Washington, so das Portal »jam-news.net«, sogar »als das Datum in die Weltgeschichte eingehen, an dem der Kaukasus von Russland befreit wurde«.

In Armenien wird das Abkommen von Washington derweil kontrovers debattiert. Das Zugeständnis einer Transitverbindung durch ein armenisches Gebiet gefährde die armenische Sicherheit und regionale Stabilität, meint Vartan Oskanian, der von 1998 bis 2008 Armeniens Außenminister war, auf dem Portal civilnet.am.

»Donald Trump, der es 2020 versäumte, den Angriff Aserbaidschans auf Bergkarabach zu verhindern, belohnt heute genau diese Aggression – und gefährdet damit weiter die Sicherheit und Souveränität Armeniens«, erklärte Aram Hamparian, ein Sprecher der armenischen Diaspora in den USA. Weiter behauptete er, Trump »unterstützt damit die Legitimierung der ethnischen Säuberung – ja des Genozids – an mehr als 150 000 einheimischen armenischen Christen.«

Aram Sargsjan, Vorsitzender der Partei Republik, die konstant für einen Frieden unter US-Garantie eingetreten ist, sieht in dem Abkommen eine Garantie, dass es in Zukunft keine armenisch-aserbaidschanischen Kriege mehr geben wird. Demgegenüber bedauert es Tigran Chsmaljan, der Vorsitzende der Europäischen Partei Armeniens, dass das Abkommen unter der Schirmherrschaft von Trump zustande kam. Besser wäre es gewesen, den Anschluss an die Europäische Union zu suchen, wo nicht ein »Frieden durch Stärke« zustandekomme, wie Trump es wolle, sondern wo die Gesetze, die Rechte von Menschen und der Nation herrschten und ein Friede auf Gerechtigkeit fuße, so Chsmaljan auf Facebook.

Auch im Iran ist man nicht erfreut über eine von den USA kontrollierte Route direkt vor der eigenen Haustür. In den kommenden zwei Wochen besucht dessen Präsident Massud Peseschkian Armenien, berichtet verelq.am. Zeitnah werde Schachin Mustafajew, stellvertretender Premierminister Aserbaidschans, den Iran besuchen, berichtet die gleiche Quelle unter Berufung auf aserbaidschanische Medien.

Hat das Abkommen Bestand?

Ob der armenische Premier Paschinjan in seiner Heimat den Kritikern, die ihm zu große Nachgiebigkeit gegenüber Aserbaidschan vorwerfen, den Wind aus den Segeln nehmen kann, bleibt abzuwarten. Vielleicht schafft er es, die armenische Bevölkerung von den Vorzügen des Kompromisses zu überzeugen. Für einen stabilen Frieden sowie die Wiederaufnahme direkter Beziehungen zu Aserbaidschan und der Türkei, massive Investitionen aus den USA und ein Ende der Wirtschaftsblockade durch die Nachbarstaaten Türkei und Aserbaidschan mag Paschinjans Nachgiebigkeit lohnend erscheinen.

Überhaupt nicht behandelt wird in dem Abkommen die Situation der 2023 durch die aserbaidschanische Militäroffensive vertriebenen Karabach-Armenier. Können sie wieder nach Chankendi/Stepanakert zurückkehren? In Karabach haben Armenier und Aserbaidschaner Generationen zusammengelebt.

Aserbaidschans Präsident Aliew braucht sich indes nicht vor Kritik im eigenen Land zu fürchten. Die wurde rechtzeitig mundtot gemacht. Am 5. August hatte der Direktor des unabhängigen Online-Mediums Abzas Media, Ulvi Hasanli, seinen Hungerstreik nach 17 Tagen beendet. Hasanli und mehrere Mitarbeitende von Abzas Media waren am 20. Juni wegen angeblichen Devisenschmuggels und weiterer wirtschaftlicher Vergehen zu Haftstrafen zwischen sieben und neun Jahren verurteilt worden.

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