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Australien legt sich mit Google an

Nach dem Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige sollen nun auch Suchmaschinen reguliert werden

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch für Youtube soll es eine Altersbeschränkung geben.
Auch für Youtube soll es eine Altersbeschränkung geben.

Als Erstes Land der Welt hat Australien vor einigen Monaten ein Social-Media-Verbot für unter 16-Jährige beschlossen. Die betroffenen Unternehmen haben bis zum 10. Dezember Zeit, die Regeln umzusetzen. Ansonsten drohen hohe Geldbußen bis zu 49,5 Millionen australische Dollar (knapp 30 Millionen Euro).

Das Gesetz zum Schutz der »mentalen Gesundheit von Kindern« soll junge Menschen vor Gefahren wie sexueller Belästigung oder Cyber-Mobbing schützen. Etwa zwei Drittel der Jugendlichen seien bereits gefährlichen Inhalten ausgesetzt worden, heißt es von der Regierung. Die australische Regelung gilt international als Präzedenzfall. Norwegen hat bereits angekündigt, ein ähnliches Verbot einzuführen. Auch Großbritannien denkt über entsprechende Schritte nach.

Offene Fragen gibt es indes bei Details der Umsetzung. So ist unklar, wie eine Altersverifikation rechtssicher, zuverlässig und datenschutzkonform umgesetzt werden kann. »Der Kodex schreibt nicht vor, wie genau das Alter überprüft werden soll«, erläutert Lisa Given, Professorin für Informationswissenschaften an der RMIT-University in Melbourne. Möglichkeiten würden von der Vorlage eines Ausweises bis hin zu biometrischen Verfahren wie Gesichtserkennung reichen, schreibt sie in einer Analyse. Bei einem Testlauf hatte die Regierung selbst erhebliche Bedenken zur Genauigkeit solcher Technologien geäußert. Die Online-Sicherheitsbehörde eSafety warnt zudem davor, das Verbot »problemlos« umgangen werden, da die Kinder bei der Anmeldung lediglich ihr Alter angeben müssten.

Trotz der Vorbehalte will die Regierung die Vorschriften noch ausweiten und legt sich dabei insbesondere mit Google an. Bezog sich das Verbot ursprünglich auf Plattformen wie Tiktok, Instagram, Facebook, Snapchat und X, soll es nun auch für das Videoportal Youtube gelten. Kommunikationsministerin Anika Wells begründete das vor wenigen Tagen mit Erfahrungswerten: »Vier von zehn australischen Kindern berichten, dass ihr letzter schädlicher Online-Kontakt auf Youtube stattfand.«

Konzernmutter Google übte scharfe Kritik daran. Youtube sei kein soziales Netzwerk, sondern »eine Videoplattform mit einer Bibliothek hochwertiger, kostenloser Inhalte, die zunehmend über Fernsehbildschirme konsumiert werden«, heißt es in einer Erklärung. Der Konzern prüft rechtliche Schritte und soll laut Medienberichten sogar das Management der beliebten australischen Kinderband »The Wiggles« entsandt haben, um Ministerin Wells umzustimmen.

Die Regierung geht aber noch einen großen Schritt weiter und will Alterskontrollen nun auch für Suchmaschinen einführen. Ein erweiterter Verhaltenskodex der E-Safety-Beauftragten Julie Inman Grant will Kinder besser vor pornografischen Inhalten, Gewaltvideos oder Material zur Selbstverletzung schützen. Suchmaschinenbetreiber wie Google und Microsoft müssen demnach innerhalb von sechs Monaten »angemessene Maßnahmen zur Altersverifizierung« bei ihren Nutzerkonten einführen. Der Code definiert alle unter 18-Jährigen als Kinder – eine weitreichende Auslegung, die viele Jugendliche betrifft, die das Internet längst selbstverständlich nutzen. Neben der Altersverifikation müssen Suchmaschinen Inhalte zudem stärker filtern: Gewaltvideos, pornografisches Material oder Suchvorschläge mit sexualisiertem oder gewalttätigem Inhalt dürfen Kindern nicht mehr angezeigt werden. Ebenso soll Werbung in diesen Bereichen bei Kinderkonten unterbunden werden. Darüber hinaus verpflichtet der neue Kodex die Anbieter, bei Suchanfragen zu Suizid, Essstörungen oder Selbstverletzung prominente Hilfsangebote wie Notrufnummern oder Krisendienste anzuzeigen.

Das geht einigen Experten zu weit: Der australische Digitalexperte Robert Gerlit, der an der Universität Bayreuth lehrt, warnt »vor einer für die politische Kultur gefährlichen Tendenz, wenn digital mündigen Bürgern die Mitsprache über ihr Leben in digitalen Räumen verwehrt wird«. Denn anders als beim Social-Media-Verbot sei hier eine größere öffentliche Debatte ausgeblieben. »Viele Nutzer dürften sich angesichts dessen überrumpelt fühlen«, so der Experte.

Gleichwohl sieht Gerlit auch Chancen: So übe die bloße Ankündigung solcher Regelungen bereits Druck auf Suchmaschinen und insbesondere auf Google als marktbeherrschende Kraft aus. Um schärfere staatliche Eingriffe zu vermeiden und auch um »einem möglicherweise globalen Präzedenzfall vorzubeugen«, könnten Suchmaschinen proaktiv handeln, um ihr Angebot sicherer zu gestalten, sagt er.

Laut Minusterin Wells richten sich die Maßnahmen nicht gegen das Internet an sich. Es gebe einen Platz für soziale Medien, aber »keinen Platz für räuberische Algorithmen, die gezielt Kinder ansprechen«, erklärte sie. Der Umgang von Eltern mit dem digitalen Raum gleiche dem Versuch, »ihren Kindern das Schwimmen im offenen Ozean beizubringen – mit Strömungen und Haien – anstatt im örtlichen Schwimmbad«. Und weiter: »Wir können den Ozean nicht kontrollieren, aber wir können die Haie überwachen.«

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