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Wort-Theater

Ein Sammlertraum: Shakespeare drittes Folio wurde zum Verkauf angeboten

Achtung! Nicht nur sehr schön, sondern auch sehr teuer: erste Folio-Ausgabe der Werke Shakespeares.
Achtung! Nicht nur sehr schön, sondern auch sehr teuer: erste Folio-Ausgabe der Werke Shakespeares.

Hätte man zu viel Geld – ich meine wirklich zu viel davon –, könnte man sich erbauliche Freizeitbeschäftigungen leisten. Man müsste nicht wie die reichen Vollidioten der Jetztzeit Privatreisen in den Weltraum oder in die Tiefsee unternehmen, sondern könnte sich hübschen Literaturstudien widmen, ohne die Heftchen aus Reclams Universalbibliothek zurate ziehen zu müssen, mit denen man auch im fortgeschrittenen Alter immer etwas schülerhaft daherkommt.

Bei der kürzlich zu Ende gegangenen »Rare Book Fair« im fernen Melbourne wurde etwa eine frühe Shakespeare-Gesamtausgabe, das sogenannte dritte Folio, aus dem Jahr 1664 für zwei Millionen US-Dollar feilgeboten. Kein ungewöhnlicher Preis für ein Folio, eine jener Ausgaben also, die nach des Barden Tod, ab 1623, dessen Schriften gesammelt in Umlauf brachten und vielfach als Vorbild für spätere Ausgaben dienten. Das dritte Folio zählt auch deshalb zu den Raritäten, weil ein Gutteil der Auflage beim Großen Brand von London 1666 unverkauft den Flammen zum Opfer fiel.

Genosse Shakespeare

Wie es euch gefällt: Alle zwei Wochen schreibt Erik Zielke über große Tragödien, politisches Schmierentheater und die Narren aus Vergangenheit und Gegenwart. Inspiration findet er bei seinem Genossen aus Stratford-upon-Avon.

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Muss man also die Regeln des Kapitals endlich verinnerlichen und ein Exemplar ins heimische Regal platzieren? Natürlich nicht. Es gibt ansehnliche Faksimile-Ausgaben von Shakespeare Folio, die die Seiten im besten Zustand zu einem möglichst makellosen Nachdruck komponiert haben. Auch sie sind teuer genug. Und für den sparsamen Leser ist Frank Günthers sehr gute Übersetzung (nebst englischem Original) in den dtv-Taschenbuchausgaben die richtige Wahl, übrigens auch besser handhabbar als so ein gewichtiger Foliant. Oder man labt sich an der Schönheit der Sprache in der Übertragung durch Thomas Brasch.

Und doch ist Shakespeare nur selten im Theater, seltener noch im Film, so schön inszeniert worden wie in dieser frühen Buchausgabe. Das schlichte Porträt des geheimnisvoll unbekannten Autors, das auch diese Kolumne ziert. Schmuckvolle, aber nicht überbordende Initialen, die die Stücke einleiten. Die lateinische Zählung eines jeden Akts und einer jeder Szene. Die geballte, aber nicht gedrängt wirkende Präsentation von Weltliteratur. Klar und schön.

Dass Bücher so schön sein können, ist verzichtbar. So wie jeder Luxus. Aber während die deutschen Linksintellektuellen (gibt es die noch?) den Malik-Erstausgaben hinterherlaufen, natürlich nur mit Schutzumschlag, und die empfindsamen Bürgerkinder mit gewissenhaft geführtem Haushaltsbuch sich ihren Rilke in Ausgaben der Insel-Bücherei zusammenstellen und die vermeintlichen Freigeister mit Hang zur Provokation sich ihren Ernst Jünger gut sichtbar ins Wohnzimmer stellen, bleibe ich beim Genossen Shakespeare. Die Folio-Ausgaben sind eher ein Fall fürs Museum. Aber an einem von Hans Scheib illustrierten Band mit Shakespeares »Wie es euch gefällt« in Heiner Müllers Übersetzung kann auch ich mich erfreuen.

Wen das nur kopfschüttelnd zurücklässt, dem sei Hermann Hesses Poem »Einem Freunde mit dem Gedichtbuch« in Erinnerung gerufen, das mit den Versen endet: »Werden wir zur Rechenschaft gezogen, / Daß wir uns mit solchem Tand befaßten, / Tragen wir wohl leichter unsre Lasten / Als die Flieger, die heut nacht geflogen, / Als der Heere arme, blutige Herde, / Als die Herrn und Großen dieser Erde.«

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