Stofffabriken in der Toskana: Luxus, große Marken, Fast Fashion

Von der Garnproduktion bis hin zu den fertigen Stoffen: Fast 7000 Unternehmen im Textilsektor erledigen alle Produktionsphasen für Mode und Bekleidung

  • Francesco Bertolucci
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein unverzichtbarer Teil der globalen Modeindustrie: Italiens Textilhauptstadt Prato
Ein unverzichtbarer Teil der globalen Modeindustrie: Italiens Textilhauptstadt Prato

Im Jahr 1895 gab es 60 Unternehmen mit 2015 Arbeitern. Der Bericht des Arbeitgeberverbands Confindustria Toskana Nord aus dem Jahr 2021 spricht von 6627 Betrieben mit 41 251 Beschäftigten. Diese Zahlen des Textilbezirks von Prato sprechen für sich.

Der Bezirk erstreckt sich heute auf einer Fläche von 700 Quadratkilometern und umfasst zwölf Gemeinden, die sich über die Provinzen Prato, Pistoia und Florenz verteilen. Das Gebiet hat eine Bevölkerung von rund 300 000 Einwohnern.

Die Bedeutung der »außerhalb der Provinz« gelegenen Unternehmen, wie von Confindustria betont, ist nicht zu unterschätzen. Die Textilunternehmen in den florentinischen Regionen, die als Zulieferer für die Arbeiten in Prato fungieren, stellen etwa 15 bis 20 Prozent der Arbeitskräfte und Exporte des gesamten Textilbezirkes. Seit Jahren gehört die Textilindustrie von Prato zu den bedeutendsten Zentren weltweit für die Produktion von Garnen und Wollstoffen.

Industrie im Wandel: Von Filamenten bis zu technischen Textilien

Konkret umfasste im Jahr 2024 der gesamte Bezirk 2383 Betriebe mit 18 075 Beschäftigten in der Textilindustrie sowie 4244 Unternehmen mit 23 176 Angestellten im Bereich Bekleidung und Strickwaren. Der Gesamtwert der Branche beläuft sich auf 8,35 Milliarden Euro.

Außer Planung, Kreation und Marketing werden im Textilbezirk Prato zahlreiche Bearbeitungsprozesse durchgeführt, die sowohl für Bekleidung als auch für Strickwaren und Möbelproduktion verwendet werden. Dabei kommen nahezu alle Arten von Rohstoffen zum Einsatz – von Wolle und Baumwolle über Seide, Leinen bis hin zu synthetischen Fasern – sowie eine Vielzahl von Prozessen, darunter Veredlung, Färben, Kardieren (das Glätten der Fasern), Spinnen, Weben und Stricken.

Die Produktion in Prato deckt praktisch alle Marktsegmente ab, von Halbfabrikaten und Fertigprodukten für Luxusmode bis hin zu Fast Fashion. Prato-Produkte sind auf rund 100 Märkten weltweit vertreten, wobei der US-amerikanische, der russische, schweizerische, französische, der britische, deutsche und der asiatische Markt eine bedeutende Rolle spielen.

Bereits in den 1970er Jahren begann der Bezirk, Mikroproduktionsketten für Spezialtextilien zu entwickeln – zum Beispiel fantasievolle Kardegarn-Spinnfasern für Strickwaren, Felle, beflockte und beschichtete Stoffe –, und erweiterte seine Expertise auf die Verarbeitung von Fasern, die nicht aus Wolle oder natürlichen Ausgangsmaterialien sind.

In den letzten Jahren hat sich in Prato auch der Bereich der sogenannten »technischen Textilien« etabliert. Hier finden sich Unternehmen, die aus der Erfahrung mit Filzen und Wattierungen für Möbel und Schuhe innovative Produkte wie umweltfreundliche Schallschutz- und Wärmedämmmaterialien für den Bereich des ökologischen Bauens, Grundlagen für vertikale Gärten und Substrate für die Landwirtschaft herstellen.

Weitere Unternehmen produzieren Wollstoffe, die nicht zu Verfilzung neigen und vor Wind, Feuchtigkeit und ultravioletter Strahlung schützen, speziell für die Sportbekleidungsindustrie. Darüber hinaus gibt es Unternehmen, die Maschinen zur Verarbeitung von Textilabfällen zu wiederverwendbaren Produkten für Hygiene, Möbel, Automobilindustrie, Geotextilien und Bauwesen entwickeln.

Recycling ist ein Eckpfeiler der Textilproduktion

Das Recycling spielt eine wichtige Rolle im Textilbezirk. Allein in der Kardenspinnerei werden in den Produktionsanlagen in Prato jährlich etwa 40 000 Tonnen Garn verarbeitet, die dann etwa 100 Millionen Meter Stoff ergeben. Etwa 80 Prozent des Materials stammen dabei aus regenerierten Fasern. Darüber hinaus haben die Textilunternehmen in Prato seit 1965 ein zentrales Abwassersystem entwickelt, das aus wenigen großen Anlagen besteht, die mit den Haushalten und Industriebetrieben über ein Kanalnetz verbunden sind. Dieses System ermöglicht die Reinigung und Wiederverwendung von Wasser im industriellen Produktionsprozess, wodurch etwa 40 Prozent des Verbrauchs für industrielle Zwecke, das sind rund 3 bis 3,5 Millionen Kubikmeter, aus geklärtem und wiederverwendeten Wasser besteht.

Der Textilbezirk von Prato bleibt trotz der Herausforderungen durch die Globalisierung und den intensiven Wettbewerb eine feste Größe in der internationalen Textilproduktion. Dank seiner Vielseitigkeit und Innovationskraft ist er nach wie vor ein unverzichtbarer Teil der globalen Modeindustrie.

Dieser Text ist ungekürzt in unserem italienischen Partnermedium »Il Manifesto« erschienen. Übersetzung: Cyrus Salimi-Asl

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