Modebranche in Italien: Zwischen Illegalität und Schwarzarbeit

Die unlautere Beschäftigung und extreme Ausbeutung durch einzelne Unternehmen gefährden die gesamte Textilindustrie in der italienischen Stadt Prato

  • Francesco Bertolucci
  • Lesedauer: 3 Min.
Chinesische Arbeitsmigrant*innen in der italienischen Textilindustrie
Chinesische Arbeitsmigrant*innen in der italienischen Textilindustrie

Acht Milliarden und 350 Millionen Euro: Laut Schätzungen des Forschungszentrums des Arbeitgeberverbands Confindustria Toskana Nord aus dem Jahr 2022 entspricht dies dem wirtschaftlichen Wert der Textil- und Moderegion von Prato, die als die größte in Europa gilt. Der Bezirk ist aufgeteilt in die Textilproduktion – Stoffe und Garne – und die Modebranche, die neben Zwischenprodukten auch Fertigkleidung und Accessoires umfasst. Der Industriebezirk zählt rund 7000 Unternehmen mit mehr als 41 000 Beschäftigten, einen Exportwert von 2,7 Milliarden Euro und einen Zuliefersektor, der über die Gemeinden der Provinz hinaus auch benachbarte Gebiete umfasst. Unter den über 4200 Unternehmen in der Bekleidungsproduktion sind 78 Prozent chinesische, während von den über 2200 Textilunternehmen 15 Prozent chinesische Firmen sind.

Der Bezirk machte im Oktober vergangenen Jahres Schlagzeilen. »In der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober griff uns eine Schlägertruppe mit Eisenstangen an, als wir vor der Bekleidungsfabrik Lin Weidong in Seano (Gemeinde Carmignano, Anm. d. Red.) einen Streikposten hatten«, erklärt Luca Toscano, Gewerkschafter bei Sudd Cobas Prato, »vier Personen landeten im Krankenhaus. Während sie flüchteten, riefen die Angreifer, Italiener: ›Das nächste Mal schießen wir.‹ Wenn es eine Statistik zu Übergriffen auf streikende Arbeiter gäbe, wäre Prato ganz oben auf der Liste. Unser Gebiet ist Opfer dieser Umstände.«

Die Arbeiter und Gewerkschafter demonstrierten für die »Regulierung der Arbeitsverhältnisse« und eine »Reduzierung der Arbeitszeit auf acht Stunden«. Nach dem Angriff wurden Kontrollen und Durchsuchungen in der Firma durchgeführt, während Gewerkschaften und Arbeiter mit einer Demonstration durch die Straßen Viertels reagierten. »Hier gibt es Tausende von Arbeitern, die extrem ausgebeutet werden«, stellt Toscano fest, »hauptsächlich Chinesen, Afrikaner, Pakistaner oder Bangladescher. Zwölf Stunden Arbeit am Tag sind für viele die Norm.«

In den letzten Jahren wurde immer wieder von Schwarzarbeit in Prato gesprochen, oft im Zusammenhang mit chinesischen Unternehmen, die teilweise illegal sind und ihre Produkte in ganz Europa vertreiben. Nach dem Brand im Dezember 2013, bei dem fünf Menschen chinesischer Herkunft in einer »Pronto Moda«-Fabrik in der Industriezone von Macrolotto ums Leben kamen, trat das Problem der Fabriken, die auch als Schlafstätten dienten, in den Vordergrund. Eine Taskforce wurde eingerichtet, um das Phänomen einzudämmen, mit Einsatzkräften, lokalen Gesundheitsbehörden und Arbeitsinspektoren. Das Problem der Schwarzarbeit und Ausbeutung bleibt jedoch bestehen und wirkt sich negativ auf die Unternehmen aus, die sich an die Regeln halten, kommentiert Ingrid Grasso von der Gewerkschaft Fema Cisl Prado.

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Der Umsatz der Branche ist zurückgegangen. Nach den Schwierigkeiten im ersten Jahr der Covid-Pandemie schien der Bezirk in den folgenden zwei Jahren auf dem Weg der Erholung zu sein – mit Exportsteigerungen von bis zu 26,5 Prozent im Bereich Strickwaren und Bekleidung. Doch schon 2023 kehrte die Krise zurück – mit einem Rückgang von 9,1 Prozent beim Export und 7,8 Prozent im Textilsektor. Die bereits 2023 von vielen Unternehmen aktivierte Kurzarbeit scheint nicht auszureichen. Viele Firmen haben geschlossen – einige berichten von Umsatzrückgängen von bis zu 90 Prozent.

Der ungekürzte Text ist in unserem italienischen Partnermedium »Il Manifesto« erschienen. Übersetzung: Cyrus Salimi-Asl

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