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Superstar in Saarbrücken: Olympiasieger Fan Zhendong schlägt auf
Der chinesische Ausnahmekönner löst einen Zuschauerboom aus
Die anderen können einpacken. Der Teufel ist gelandet: Fan Zhendong, Tischtennissuperstar aus China, zweimaliger Weltmeister und Olympiasieger, spielt dieses Jahr in Saarbrücken. Am Mittwochmorgen wurde er auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz der deutschen Öffentlichkeit vorgestellt. Ums Geld ging es dabei weniger – Fan Zhendong zeigte sich aufgeräumt und gut vorbereitet. Und: Er wird mit Meisterschaft, Pokal und Champions League alle drei Wettbewerbe für den 1. FC Saarbrücken spielen. Seine ersten Worte ans Publikum: »Guten Tag!«
Los geht es bereits an diesem Sonntag zum Heimspiel gegen den TTC Schwalbe Bergneustadt. Dann geht es in der Liga nach Bad Königshofen, bevor Borussia Dortmund gleich zweimal an die Saar kommt: in der Meisterschaft und im Pokal. Sollte alles normal laufen, wird der Champions-League-Sieger in allen drei Wettbewerben durchmarschieren. Fan Zhendong wird keine ernsthaften Gegner bekommen. Und für den Rest sorgen dann schon Teamkapitän Patrick Franziska und Darko Jorgic, der immerhin auch in den Top 10 der Welt steht.
Spielbetrieb ist arg verzerrt
Passenderweise hat der deutsche Verband just die Modalitäten verändert: So soll es in Meisterschaft und Pokal am Ende ein »Final 4« geben, das an einem Wochenende voraussichtlich in Frankfurt am Main stattfindet. So wurden inklusive Pokal bis zu vier Spieltermine gespart. Geschuldet ist das dem immer dichter werdenden Spielkalender im Tischtennis.
Der legt international recht wenig Wert auf den Spielbetrieb in den Ligen. Der Trend des Weltverbands – der sich mal WTT (World Table Tennis), mal ITTF (International Table Tennis Federation) nennt, je nachdem, für welche Turnierserie er verantwortlich ist – geht eindeutig in Richtung Eventisierung: Die Turnierserien des WTT für Einzelspieler und Doppel sollen ausgebaut werden. Die Nationalmannschaftswettbewerbe bleiben der ITTF vorbehalten.
Umso erstaunlicher, dass sich Spieler wie Zuschauer immer noch für die Bundesliga interessieren. Doch für die Athleten ist der Ligabetrieb lukrativ: Sie können weltumspannend pro Saison bei mindestens drei Vereinen anheuern – der sehr verzerrte Spielplan gibt es her. Die Chinese Super League zum Beispiel spielt an jeweils drei Tagen insgesamt viermal. Die Vereine bezahlen die Spieler, die Sponsoren die Vereine, und im Fall der Bundesliga freuen sich alle wie Bolle, dass ein Publikumsmagnet wie Fan Zhendong reichlich Geld in die Kassen spült – so er denn spielt. Das wird nicht immer der Fall sein.
Die Schattenseite dieses Systems ist, dass der gesamte Spielbetrieb bis in die dritte oder vierte Liga hinunter mitunter arg verzerrt ist. Mal spielt die beste Aufstellung, mal nur die zweite Garde. In Saarbrücken zum Beispiel ist noch ein gewisser Truls Möregardh gemeldet, der neulich als erster Nicht-Chinese überhaupt einen sogenannten »Smash« gewonnen hat, der vergleichbar mit einem Grand Slam im Tennis ist. Gemeldet ist der Schwede allerdings wohl nur für die Champions League, und auch da nur für die Endrunde. Dazu spielt er bei schwedischen und polnischen Klubs.
Der Beste der Welt
Die gute Stimmung bleibt davon erst mal unberührt. Der vom Saarbrücker Hauptsponsor wohl miteingefädelte Wechsel löst Euphorie im deutschen Tischtennis aus, gleicht gar einer Sensation. Fan Zhendong selbst fühlte sich auf der Pressekonferenz sehr gut aufgehoben neben Harmoniebär Franziska und Trainer Wang Zhi. Überhaupt kam alles chinesisch vertraut daher: Jeder Redebeitrag wurde ins Chinesische übersetzt; von den Fragestellern konnten ganze zwei kein Chinesisch– die Heimatreporter vom SR und der »Saarbrücker Zeitung«. Die Sprechblasen, die Fan und die anderen absonderten, hätten auch jeder Verkündigung der Kommunistischen Partei Chinas gut angestanden. Die offenen Fragen, zum Beispiel die nach der internationalen Zukunft Fans jenseits des 1. FCS, wurden seltsamerweise erst gar nicht gestellt.
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Der chinesische Tischtennisverband soll aber, so hörte man, die Entscheidung Fans für den 1. FCS voll unterstützt haben. Vielleicht sind sie in Peking auch froh, den nicht immer pflegeleichten Superstar in die deutsche Provinz versetzt zu haben. Von der Weltrangliste und den WTT-Turnieren hat sich Fan offiziell freiwillig verabschiedet, um dem chinesischen Nachwuchs mehr Raum zu geben – was bisher nur so mittelmäßig gelingt. Der Ausnahmespieler hat eine Rückkehroption erhalten; Weltmeisterschaften und Olympische Spiele werden ihm wohl noch offenstehen. Genaues weiß man nicht. Fan Zhendong, um es mal gesagt zu haben, ist erst 28. Mutmaßlich ist er immer noch der beste Spieler der Welt. Timo Boll, gerade erst in Pension, hat noch im zarten Alter von 43 Jahren international Turniere gespielt.
So oder so: Die deutschen Schulsporthallen werden brummen. Tickets gehen weg wie Glückskekse, die meisten in chinesische oder chinesischstämmige Hände; ein Anteil von 70 bis 80 Prozent erscheint realistisch. Das deutsche Publikum wird sich vielleicht ein wenig wundern und umstellen müssen. Aber profitieren können letztlich alle davon.
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