Nicht nur leeres Stroh gedroschen

Brandenburgs Bauernverband ist mit der Erntebilanz halbwegs zufrieden, denn es hätte schlimmer kommen können

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Wohin führen die Klimakrise und der Preiskrieg? Ein Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Trebbin steht im Juli an einem Weizenfeld.
Wohin führen die Klimakrise und der Preiskrieg? Ein Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Trebbin steht im Juli an einem Weizenfeld.

Dass die Kunden in den Filialen der großen Handelsketten für Lebensmittel so viel bezahlen müssen, liege nicht daran, dass Brandenburgs Bauern für ihr Getreide viel Geld bekommen würden, versichert Landesbauernpräsident Henrik Wendorff am Donnerstag. »Wenn das behauptet wird, ist das ein Fake«, sagt er.

Der Landwirt erhalte beispielsweise für Weizen in Backqualität den Weltmarktpreis von 170 bis 180 Euro für eine Tonne. Um auf einem Hektar Land vier Tonnen zu ernten, müsse der Bauer aber allein 150 bis 200 Euro Pacht bezahlen, um die 40 Euro Steuern und Abgaben entrichten, 160 Euro fürs Saatgut und bis zu 200 Euro für Treibstoff ausgeben und 150 Euro für Dünger plus 80 Euro für Pflanzenschutzmittel. So rechnet Wendorff vor. Wer mitrechne: Da sei der Erlös bereits aufgebraucht. Dabei koste das Dreschen des Weizens weitere 130 Euro und der Bauer müsse glücklich sein, wenn er überhaupt Weizen in Backqualität anbieten könne. Regnet es in der Erntezeit zu viel, kann der Weizen lediglich noch verfüttert werden. Dann gebe es lediglich 150 Euro für die Tonne.

Wendorffs Fazit: Ohne Fördermittel von der EU könnten die Bauern von ihrer Arbeit nicht leben. »Die preisliche Situation ist katastrophal. Die Weltmarktpreise sind die der 90er Jahre«, beklagt er. »Ich glaube, es gibt keine Branche, die mit Preisen der 90er Jahre heute noch existieren könnte.«

Dass den Aufkäufern eigentlich gesetzlich vorgeschrieben ist, den Erzeugern auskömmliche Preise zu zahlen, nutze den Bauern wenig. Wenn sie jemanden wegen zu geringer Zahlungen anzeigen würden, macht der in Zukunft gar keine Geschäfte mehr mit ihnen. Und das Getreide müsse ja vom Hof, sagt Bauernpräsident Wendorff. Die Landwirte müssten sich also notgedrungen mit dem zufrieden geben, was ihnen geboten werde.

2,2 Millionen Tonnen Getreide haben Brandenburgs Landwirte seit dem 30. Juni vom Acker geholt – fünf Prozent mehr als im vergangenen Jahr, aber weniger als im Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre, der bei 2,35 Millionen Tonnen liegt. Mit einem Ertrag von 60,8 Dezitonnen je Hektar beim Winterweizen bildet Brandenburg mit seiner Erntebilanz im Vergleich der Bundesländer das Schlusslicht. In Schleswig-Holstein waren es 91 Dezitonnen, dagegen im südbrandenburgischen Landkreis Oberspreewald-Lausitz gerade einmal 41,7 Dezitonnen je Hektar.

In Brandenburg geben die Böden viel weniger her als in der fruchtbaren Magdeburger Börde. Dann haben die Bauern auch noch sehr mit Trockenheit zu kämpfen. In diesem März fielen nur 14 Liter Niederschlag pro Quadratmeter, während es im langjährigen Mittel des Zeitabschnitts von 1991 bis 2020 ganze 36 Liter waren.

Als es dieses Jahr endlich ordentlich regnete, war das schon in der Erntezeit – und dann ist das leider schädlich. Am 30. Juni lief die Ernte noch gut an. Doch bereits nach sieben Tagen blieben die Mähdrescher in den Feldern stecken. Ab da hieß es laut Wendorff wegen der Niederschläge: »Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln.« Immer wieder setzten die Bauern zu neuen Versuchen an. Wendorff bedankt sich bei Urlaubsreisenden, die auf dem Weg zur Ostsee auf Landstraßen geduldig langsam fahrenden Landmaschinen hinterherzuckeln mussten, die aber mit dem Daumen nach oben zeigten, um die Bauern mit dieser Geste aufzumuntern. »Wir wären lieber in vier Wochen durch gewesen mit der Ernte«, sagt Wendorff.

Mit den eingebrachten Mengen Getreide ist der Bauernverband einigermaßen zufrieden. Es ist am Ende tatsächlich noch ungefähr so viel geworden wie Anfang Juni erwartet. Nur die Qualität lasse zu wünschen übrig. Wendorf resümiert: »Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen.« Am Raps haben sich zum Leidwesen der Landwirte Schädlinge wie der Kohlschotenrüssler und die Kohlschotenmücke satt gefressen. Angesichts der Verhältnisse glaubt Wendorff nicht, dass beim Raps jemals wieder solche Hektarergebnisse zu erzielen sind wie einst.

Er ist Biobauer und verzichtet auf Pflanzenschutzmittel, bedauert aber im Namen der konventionellen Kollegen, dass mehr als die Hälfte solcher Mittel inzwischen nicht mehr zugelassen seien. Wenn es nur noch wenige erlaubte Wirkstoffe gebe, steige das Risiko, dass Schädlinge resistent dagegen werden, so wie bestimmte Antibiotika gegen bakterielle Infektionen nicht mehr helfen. Es gehe nicht darum, die Menge an eingesetzten Pflanzenschutzmitteln zu steigern, beteuert Wendorff, sondern nur um die Bandbreite der Wirkstoffe.

Weder er noch Brandenburgs Agrarministerin Hanka Mittelstädt (SPD) nennen konkrete Wirkstoffe, deren Wiederzulassung sie sich wünschen. Es müssten alternative Mittel entwickelt werden, meint Mittelstädt. »Als Ministerin habe ich auf das Wetter keinen Einfluss.« Die Politikerin möchte aber weiter für einen deutlichen Bürokratieabbau kämpfen, verspricht sie. »In Brandenburg haben wir die Wirtschaftsdüngermeldeverordnung reformiert und bereits einige überflüssige Verordnungen gestrichen.«

Bilanz bei Getreide, Obst und Gemüse
  • Beim Weizen stieg der Ertrag gegenüber dem vergangenen Jahr von 59,4 auf 60,8 Dezitonnen je Hektar, beim Roggen von 35,5 auf 41,4 Dezitonnen, bei der Gerste von 55,2 auf 58,6 und beim Raps von 26,5 auf 26,9 Dezitonnen.
  • Es wurden nur noch 26,4 Dezitonnen Hafer je Hektar vom Feld geholt. Vor einem Jahr waren es noch 31,9 Dezitonnen gewesen.
  • Nachdem bei der Obsternte 2024 Ausfälle von bis zu 100 Prozent zu beklagen gewesen waren, ging dennoch kein Gartenbaubetrieb pleite. Es gab staatliche Hilfszahlungen. Dieses Jahr wurden 9400 Tonnen Äpfel und 910 Tonnen Pflaumen geerntet.
  • Mit 18 700 Tonnen Spargel fiel die Ernte bei diesem Gemüse um 1500 Tonnen geringer aus als im Vorjahr.
  • 640 Tonnen Erdbeeren sind die niedrigste seit 1991 im Freiland geerntete Menge. Laut Gartenbau-Verbandspräsident Klaus Henschel entfallen 60 Prozent der Kosten auf die Löhne. Bei geringem Ertrag lohne es sich nicht, Erntehelfer anzuheuern. Im Berliner Umland gibt es darum stellenweise ausschließlich noch die Selbstpflücke. af

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -